Mission
Die Abwärtsspirale
Was wir brauchen, um den Trend zu stoppen
Was tun, wenn Anspruch und Wirklichkeit in unseren Adventgemeinden immer weiter auseinanderklaffen? Wenn wir zwar verstehen, dass wir Salz und Licht sein sollten, aber offensichtlich damit überfordert sind und nicht mehr wissen, wie das „funktioniert“? Wie können wir unseren Mitmenschen auf für sie bedeutungsvolle und relevante Weise begegnen und ihnen Jesus nahebringen? Das Format „Forum Gemeinde“ wurde ins Leben gerufen, um mit den Gemeinden über solche Fragen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Antworten zu finden. Was bisher dabei herauskam, berichtet Thomas Knirr.
Wenn man einen Blick auf den Ist-Zustand der Adventgemeinde in Baden-Württemberg wirft, kann man schnell entmutigt werden. Wir erreichen immer weniger Menschen (2022 war der Tiefstand an Taufen in den letzten 50 Jahren); nach wie vor verlassen uns 70-80% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen; das Durchschnittsalter in den Gemeinden steigt; die Bereitschaft, sich einzubringen, sinkt; der größte Teil der Gemeinden ist völlig damit ausgelastet, irgendwie ihren Gottesdienstbetrieb aufrecht zu erhalten; das Gemeinde„leben“ beschränkt sich auf die zwei Stunden am Sabbatvormittag; gleichzeitig verbinden die meisten Menschen in unserer Gesellschaft mit der Institution Kirche nichts, was für ihr Leben auch nur annähernd relevant wäre. Die westliche Welt ist überwiegend säkular, postmodern und postchristlich. Wenn sich nicht grundlegend etwas ändert, ist klar, dass in den nächsten 10-15 Jahren ein beträchtlicher Teil unserer Adventgemeinden von der Bildfläche verschwunden sein wird. Die besondere Tragik dabei ist, es wird – ausgenommen den Gemeindegliedern – niemandem auffallen oder schmerzen. Nach dem Motto: „Der Letzte macht dann bitte das Licht aus.“ Ja, wir können die Heilige Schrift auswendig, wir können Ellen White zitieren und die Lehren unserer Kirche theologisch begründen, wir kennen die Prophezeiungen und die Zeichen der Zeit, aber wir kennen nicht die Fragen, die die Menschen um uns herum tatsächlich stellen, ihre Verletzungen oder die Bedürfnisse, die sie haben.
Die Auseinandersetzung mit der Abwärtsspirale
Das sind Gedanken aus dem Impulsreferat, mit dem die Treffen unter dem Format „Forum Gemeinde“ eingeleitet wurden. In den sechs Großbezirken unserer Freikirche in Baden-Württemberg waren jeweils alle Leiter, Pastoren und am Thema interessierte Gemeindeglieder eingeladen, um darüber nachzudenken, was erforderlich ist, um den negativen Trend umzukehren und die Menschen in unserer Gesellschaft mit dem Evangelium zu erreichen. Die Betroffenheit über die Entwicklung unserer Kirche in Baden-Württemberg war allen anzumerken. Gleichzeitig aber auch die Gewissheit, dass Gott neues Leben und einen Aufbruch geben kann und geben will. Deshalb blieb der Blick nicht auf die negative Entwicklung gerichtet. In verschiedenen Gruppengesprächen wurden Ideen und Gedanken ausgetauscht und dann für alle an einer Moderationswand gesammelt und gewichtet. Dabei ergab sich in allen Großbezirken ein ähnliches Bild.
Fasst man die Ergebnisse zusammen, wurde an erster Stelle das Bedürfnis nach einer tieferen geistlichen Erfahrung der Gemeindeglieder genannt – was mit den Schlagworten Erweckung und Reformation in Verbindung gebracht wurde. Dass der Glaube das ganze Sein durchdringt und die Liebe zu Gott und den Mitmenschen die treibende Kraft im Leben ist. Dass jeder Einzelne in einer engen, bedeutungsvollen, von Freude und Gewissheit geprägten Beziehung mit Jesus lebt. Dieser Gedanke ist nicht neu und wir reden schon Jahre darüber, ohne dass sich tatsächlich spürbar etwas verändert hätte. Was hält uns zurück, das Leben zu leben, das Gott eigentlich für uns vorgesehen hat? Warum geben wir uns mit einer theoretischen Frömmigkeit zufrieden, die sich an Traditionen und Formen klammert? Wie kommen wir dahin, dass wir nicht nur an unsere eigene Vorbereitung auf die Wiederkunft von Jesus denken, sondern auch an die unserer Nachbarn? Wie können wir heute, im 21. Jahrhundert, Licht und Salz sein, so wie Jesus es uns aufgetragen hat?
Aus der Tiefe nach oben finden
Vielleicht findet sich die Antwort auf diese Fragen in dem Punkt, der es bei unseren Treffen unter die Top fünf geschafft hat: Wir müssen als Gemeinden wieder zurückkommen zu einem bedürfnisorientierten Ansatz, wo wir unseren Glauben auf authentische, den Menschen zugewandte Art ausleben. Leitfragen können dabei sein: Was bewegt die Menschen wirklich, welche Bedürfnisse haben sie, wo brauchen sie Hilfe? Wo kann ich persönlich, wo können wir als Gemeinde den Menschen dienen? In diesem Zusammenhang wird klar, dass es zu wenig ist, einfach „Die Botschaft“ weiterzugeben – wir sollen selbst die Botschaft sein! So wie Jesus es uns vorgemacht hat. „Allein die Vorgehensweise Christi wird den wahren Erfolg garantieren. Der Heiland aber begab sich unter die Menschen als einer, der Gutes für sie wünschte. Er bewies sein Mitgefühl für sie, half ihren Nöten ab und gewann ihr Vertrauen. Erst dann gebot er ihnen: ‚Folgt mir nach‘. Es ist also notwendig, durch persönlichen Einsatz den Menschen erst einmal nahe zu kommen. Wenn weniger Zeit mit klugen und schönen Worten und mehr mit persönlichem Hilfsdienst verbracht würde, sähe man größere Ergebnisse. Den Armen soll geholfen, die Kranken sollen versorgt, die Trauernden und Betrübten getröstet, die Unwissenden unterwiesen und die Unerfahrenen beraten werden. Wir sollen mit den Weinenden weinen und uns mit den Fröhlichen freuen. Wenn dieses Werk von der Macht der Überzeugung, des Gebets und der Liebe Gottes begleitet wird, kann und wird es nicht fruchtlos bleiben.“ (Ellen White, Auf den Fußspuren des großen Arztes, S. 106) Ein bedürfnisorientierter Ansatz bedeutet, unseren Glauben praktisch auszuleben und anderen Menschen in selbstloser Liebe zu begegnen, ihnen zur Seite zu stehen. Nicht aus Druck oder einem schlechten Gewissen, sondern als Ausdruck unserer Verbindung mit Jesus. Er möchte den Menschen durch uns seine Liebe sichtbar machen. Wenn wir diese Herausforderung annehmen und uns nach der Art und Weise von Jesus für andere einsetzen, werden wir „…bald von einer ganz anderen Atmosphäre umgeben sein. Segen und Macht werden [unsere] Unternehmungen begleiten. … Die Selbstsucht, die [unsere] Seelen gefangen hielt, werden [wir] überwinden.“ (Ellen White, Testimonies for the Church, Bd. 6, S. 267)
Ein weiterer Schwerpunkt, der immer wieder genannt wurde, ist die Kinder- und Jugendarbeit. Was können wir tun, um die Jugendlichen für Jesus zu begeistern und dass sie Adventgemeinde als ihre geistliche Heimat erleben? Hier stand nicht das Angebot von überregionalen Veranstaltungen der Adventjugend im Mittelpunkt. Vielmehr war der Blick darauf gerichtet, was die Ortsgemeinde tun kann, um Kindern und Jugendlichen eine positive Erfahrung in und mit der Gemeinde zu ermöglichen. Müssen wir dazu Gemeinde neu denken? So, dass auch Jugendliche Freude haben, sich einzubringen und sich mit „ihrer“ Gemeinde identifizieren? Und das nicht als Gemeinde von morgen, sondern als Gemeinde von heute. Dazu ist es unabdingbar, dass sie ihre Ideen, Gedanken und Gaben mit einbringen können, dass sie Vertrauen und Wertschätzung erleben und positive Vorbilder in der Gemeinde finden. „Die Jugendlichen brauchen mehr als eine beiläufige Beachtung, mehr als ein gelegentliches Wort der Ermutigung. Sie brauchen eine sorgfältige, betende, umsichtige Arbeit. Nur derjenige, dessen Herz von Liebe und Mitgefühl erfüllt ist, wird in der Lage sein, die Jugendlichen zu erreichen, die scheinbar achtlos und gleichgültig sind.“ (Ellen White, Diener des Evangeliums, S. 184)
Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.