10 Jahre später

Prophetie
10 Jahre später

Die prophetische Uhr seit der Gründung von BWgung

Kommt Christus bald? Als Adventisten glauben wir an die Wiederkunft. Doch nicht wenige haben das Wort „bald“ bereits gestrichen. Nach vielen Jahren enttäuschter Naherwartung haben manche die prophetische Botschaft, die ja eine Begründung für unsere Naherwartung liefert, über Bord geworfen – oder sie neu interpretiert. Andere halten immer noch an ihr fest. Es stellt sich daher die Frage: Können wir Anhaltspunkte für die Erfüllung biblischer Vorhersagen finden? Was hat sich beispielsweise in den letzten zehn Jahren, also seit der Gründung von BWgung, im Sinne der Erfüllung biblischer Prophetie ereignet?

Natürlich ist es gefährlich, einen so kurzen Zeitraum zu betrachten und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Clifford Goldstein hat uns daran erinnert, dass das Bild der Prophetie mit einem groben Pinsel gemalt ist. Die Betrachtung von Bildern dieser Art erfordert nun einmal einen gewissen Abstand – in diesem Fall einen zeitlichen Abstand. Wenn wir der Versuchung erliegen, die nicht erwähnten Details der Prophezeiungen mit einem feinen Pinsel selbst einzufügen, laufen wir Gefahr, uns in Verschwörungstheorien zu verstricken. Das aber hat schwerwiegende Folgen für die Glaubwürdigkeit der prophetischen Botschaft. 

Drei Kräfte

Können wir überhaupt einen Zeitraum von nur zehn Jahren analysieren und dabei auf sicherem biblischen Boden bleiben? Für eine Betrachtung dieser Art eignen sich am ehesten einige der Vorhersagen in Offenbarung 13 – mit einer Verfeinerung und Konkretisierung, wie wir sie im Großen Kampf von Ellen White finden. Offenbarung 13, so unser Verständnis als Adventisten, spricht von drei Kräften, die am Ende weltweit nicht nur eine mächtige Rolle spielen, sondern auch irgendwie miteinander verbunden sein werden: dem Papsttum, den protestantischen USA und dem Spiritismus. Dabei, so Ellen White, werden „die Protestanten der Vereinigten Staaten […] die Ersten sein, die dem Spiritismus über den Abgrund hinweg die Hand reichen, und sie werden auch über die andere Kluft hinweg der römischen Macht die Hand geben.“1

Betrachten wir zunächst die prophezeite Vereinigung des US-Protestantismus mit dem Spiritismus. Offenbarung 18,2 beschreibt, dass Babylon am Ende vom Spiritismus durchdrungen sein wird: Babylon „ist eine Behausung der Teufel geworden“. Wer oder was aber verbirgt sich hinter dem Symbol „Babylon“? Einige von uns sind sich nicht mehr sicher. Es sind die „gefallenen Konfessionskirchen“, schreibt Ellen White, die mit „Babylon“ bezeichnet werden.2 Damit meint sie jene Kirchen, die „das Gesetz Gottes für null und nichtig erklären“.3 Vertreter der betroffenen Kirchen legen diesen Begriff natürlich anders aus. Und auch Adventisten, die dem Druck des ökumenisch geprägten Zeitgeistes nachgegeben haben und zugleich die Informationen ablehnen, die Gott uns durch die Geistesgabe der Weissagung gegeben hat, werden unter Babylon nicht die abgefallene Christenheit verstehen. Sie werden diese klare Aussage der Bibel anders deuten und die Zeichen der Zeit daher nicht erkennen können.

Bei der Identifizierung des modernen Spiritismus dürfen wir uns nicht mehr auf Phänomene wie die Klopfzeichen der Fox-Schwestern beschränken. Der moderne, von Amerika ausgehende Spiritismus kommt in christlichem Gewand daher. Wie Ellen White schreibt, „imitiert“ er das Christentum.4 Hier muss man in erster Linie an das charismatische Phänomen denken, eine falsche Erweckung, die sich seit dem Auftreten der mysteriösen Zungenrede in San Francisco im Jahr 1906 wie ein Steppenbrand in der gesamten Christenheit ausgebreitet hat – erst in den USA, dann im Rest der Welt. Doch nicht nur Adventisten sehen in der pfingstlerisch-charismatischen Bewegung eine Form des Spiritismus. Auch die „Evangelische Allianz in Deutschland“ warnte in ihrer Berliner Erklärung im Jahr 1909: „Die sogenannte Pfingstbewegung ist nicht von oben, sondern von unten; sie hat viele Erscheinungen mit dem Spiritismus gemein. Es wirken in ihr Dämonen, welche, vom Satan mit List geleitet, Lüge und Wahrheit vermengen, um die Kinder Gottes zu verführen.“5

Im Gegensatz zu den ursprünglichen, kirchlich organisierten Pfingstlern taucht das charismatische Phänomen inzwischen in praktisch allen Kirchen auf. Während es im Jahr 1970 „nur“ 63 Millionen „pfingstlerische Charismatiker“ gab, lag diese Zahl 2014 schon bei 631 Millionen.6 Demnach muss ein Großteil der Protestanten (wenn nicht gar mehr als die Hälfte) inzwischen konfessionsübergreifend zu den Charismatikern gehören. 

Unter den Evangelikalen Amerikas gibt es die Neo-Evangelikalen und die Dominionisten. Beide wollen sie die USA in einen christlichen Gottesstaat verwandeln und eine religiöse Weltherrschaft etablieren. Zu dem Zweck sind sie sogar bereit, sich mit der Esoterik zu verbinden.7 Laut dem Theologen Martin Erdmann, ein evangelikaler Insider, treffen sich führende Dominionisten schon seit den späten 1970er Jahren mit esoterisch-spiritistischen Theosophen. Sie tun dies „hinter verschlossenen Türen, um über die Möglichkeit einer zukünftigen Zusammenarbeit zu beraten.“ Beide Gruppierungen rechnen mit dem Auftreten einer „Christus“-Gestalt, „die die Probleme der Welt lösen“8 und eine weltweite Herrschaft errichten wird. Sie erwarten eine Art verborgenen kosmischen „Christus“.9 Dabei geht es nicht um den Christus, den Sohn Gottes. In dieser Zusammenarbeit vereinen sich, von den USA ausgehend, zwei mächtige Strömungen mit dem vor allem protestantischen Christentum.

Einheit der unsichtbaren Kirche

Und was ist mit der Verbindung zum Katholizismus? 500 Jahre nach der Reformation sehen viele Protestanten keine Notwendigkeit mehr zu protestieren. Nach einer Begegnung mit Papst Franziskus im Jahr 2014 verkündete der mit ihm schon seit Jahren befreundete evangelikal-episkopale Bischof Tony Palmer10 auf einer Versammlung von evangelikal-charismatischen Kirchenführern unter Kenneth Copeland, dass der Protest vorbei sei. Der Protestantismus habe seine Existenzberechtigung verloren und möge doch bitte zurückkehren in den Schoß der Katholischen Kirche. 

Während sich der eher dogmatisch-theologische deutsche Papst Benedikt XVI. schwer tat mit einer förmlichen ökumenischen Annäherung, hat sein jesuitischer Nachfolger, Papst Franziskus, keine Probleme damit. Was viele nicht wissen: Schon im Jahr 2006, damals noch Kardinal in Argentinien, war er zu Gast auf einer Versammlung südamerikanischer Charismatiker. Bei diesem Anlass erhielt er den charismatischen „Segen“. Er kniete auf der Bühne nieder und ließ öffentlich über sich beten. Einer der Biographen des Papstes berichtet, dass Franziskus nach dem „Segen“ „mit Feuer erfüllt“ war. Fortan traf er sich mit seinen neuen charismatischen Freunden jeden Monat zu einer Gebetsgemeinschaft. Er war der Überzeugung, dass ihre gemeinsame Taufe mit „dem Geist“ wichtiger war als alle theologischen Unterschiede.11

Bisher ist es noch nicht zu einem förmlichen Zusammenschluss zwischen der Katholischen Kirche und den zahlreichen protestantischen Kirchen gekommen. Das muss vielleicht auch nicht geschehen, um die Vorhersage zu erfüllen. Für Papst Franziskus ist die Einheit der unsichtbaren Kirche wichtiger als jeder förmliche Zusammenschluss und jede theologische Übereinstimmung. Er spricht daher gern von „versöhnter Vielfalt“ oder „Einheit ohne Einförmigkeit“. Luke Coppen, Redakteur des Catholic Herald, einer britischen Zeitschrift der Katholischen Kirche, könnte sich vorstellen, dass Franziskus den Evangelikalen ein eigenes Apostolat innerhalb der Katholischen Kirche anbieten wird. In ihm könnten die Evangelikalen dann ihre eigene Form des Gottesdienstes beibehalten. 

Doch selbst diese Eigenständigkeit mag bald verschwinden, wenn sich die „Emerging Church“ mit ihrem katholisch-mystischen Gottesdienststil in evangelikalen Kreisen weiter durchsetzt. Die Emerging Church übt eine beträchtliche Anziehungskraft aus – auch auf manche adventistische Gemeinde. Deshalb bringen einige Kritiker diese postmoderne „Erneuerungsbewegung“, die sich nicht nur mit Formen befasst, sondern auch auf theologische Inhalte abzielt, mit dem Omega des Abfalls innerhalb der Adventgemeinde in Verbindung.12 Auch das ist ein Zeichen der baldigen Wiederkunft.

Das charismatische Phänomen ist wie eine Klammer. Sie bringt Protestantismus und Katholizismus zusammen. Schon heute zählen sich weltweit 120 Millionen Katholiken zur charismatischen Bewegung.13 Und unter den Protestanten gibt es mittlerweile viele, die nicht verstehen, warum sie noch von ihren Brüdern und Schwestern katholischen Glaubens getrennt sein sollen. Im August 2016 stimmten 931 von 940 Delegierten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika für eine Wiedervereinigung mit der Katholischen Kirche.14

Die Rolle der USA

Und noch einer Frage sollten wir Beachtung schenken: Welche Rolle haben die USA in den letzten zehn Jahren politisch gespielt? Immerhin soll Amerika laut Offenbarung 13 eine bedeutende Rolle bei der Durchsetzung päpstlicher Politik spielen, und zwar in den USA und weltweit. Ist ein Abschied von den Prinzipien „Demokratie“, „Rechtsstaatlichkeit“ und „Trennung von Staat und Kirche“ – das wären nämlich wesentliche Voraussetzungen für eine solche Entwicklung – überhaupt vorstellbar? Während der Präsidentschaft von George W. Bush (2000-2008) hatten es die Evangelikalen fast geschafft, die USA in einen christlichen Gottesstaat zu verwandeln.15 Glücklicherweise kamen danach acht Jahre unter Präsident Barack Obama, in denen die politisch ambitionierten und charismatisch dominierten Evangelikalen in den Hintergrund gedrängt wurden. 

Doch wie sieht es heute aus – mit einem Präsidenten Donald Trump? Spiegel-Redakteur Christoph Scheuermann schreibt hierzu: „Trump hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie sehr ihn die Institutionen stören, die zum Inventar einer lebendigen Demokratie zählen: die unabhängige Justiz, die kritische Presse, die Opposition. Im Grunde würde er all das am liebsten abschaffen …“16
Und der Staatswissenschaftler Steven Levitsky von der Harvard-Universität, der sich seit Jahren mit dem Phänomen autokratischer Regimes befasst, stellt fest, dass sich die USA unter Trump immer mehr zu einem autoritären System entwickeln. Er sieht die Gefahr, dass sich das Land in „eine Art gelenkte Demokratie“ verwandelt, ein Begriff, den wir bisher vor allem als Beschreibung Russlands unter Putin kennen. Gemeint ist ein System, in dem „der Präsident den Apparat und die Medien kontrolliert“.17 Kann ein amerikanisches Staatsoberhaupt das? Offenbar ja, denn die amerikanische Verfassung, so Scheuermann, sei erstaunlich vage, „was die Befugnisse des Präsidenten angeht. Er besitzt die Mittel, um staatliche Organe gegen seine politische Konkurrenz einzusetzen […] Ein Hitzkopf im Weißen Haus, der sich an Gegnern rächen will, hätte alle Instrumente zur Verfügung, die er sich wünschen kann.“ 

Unter Trump und seinem streng evangelikalen Vizepräsidenten Mike Pence, der ohnehin einen christlichen Gottesstaat der Demokratie vorzieht,18 sind die USA weitaus weniger berechenbar geworden als in vergangenen Jahrzehnten. „Wie reagiert Trump bei einem Terrorangriff, im Kriegsfall oder bei einer Katastrophe?“ fragt Scheuermann. „Wird er dies als Gelegenheit nutzen, um Macht an sich zu reißen […]? Die Befugnisse dazu hätte er jedenfalls“19 und sicher auch das passende Ego. Und: Wird er die Trennung von Kirche und Staat, bisher noch ein Schutzwall gegen einen christlichen Gottesstaat, irgendwann vielleicht aufheben? 

Ein Sonntagsgesetz in den USA, wie Ellen White es schon vor 130 Jahren prophezeite, steht zwar im Moment nicht zur Diskussion. Aber auch das könnte sich schnell ändern. Damals schrieb sie: „Selbst im freien Amerika werden Herrschende und Gesetzgeber dem öffentlichen Druck nach Einführung einer allgemeinen Sonntagsheiligung nachgeben, um sich das Wohlwollen der Öffentlichkeit zu sichern.“20 Angesichts seiner Psychostruktur würde Trump wohl einiges tun, um sich das „Wohlwollen der Öffentlichkeit zu sichern“.

Wir wissen nicht, wann Christus wiederkommt. Doch die Erfüllung gewisser biblischer Vorhersagen in den letzten zehn Jahren hat uns gezeigt, dass der Zeiger der prophetischen Uhr nicht stehengeblieben ist.

Quellen:

1 Ellen G. White, Vom Schatten zum Licht: Der Kampf der Kirchen und das Neue Jerusalem (1911/2011), 394. 2 Evangelism, 365. 3 Selected Messages II, 371. 4 Ellen G. White, The Great Controversy Between Christ and Satan (1888/1950), 588. Das englische Original verwendet den Begriff „imitates”, während alle deutschen Übersetzungen lediglich von „anpassen” sprechen. 5 www.glaubensstimme.de. Mehr dazu bei: Gerhard Padderatz, Zeitgeist und Glaube: Christentum am Ende? (2016), 232f. 6 Vgl. Marc Cortez, „The Growth of Global Pentecostalism (Wheaton Theology Conference 4)“ (2014) in: http://marccortez.com/2014/04/16/growth-global-pentecostalism-wheaton-theology-conference-4/. 7 Die Esoterik wurde früher, d. h., vor allem in den 1970er Jahren (und teilweise auch noch heute), als „New Age“ bezeichnet. 8 Martin Erdmann, Der Griff zur Macht: Dominionismus – der evangelikale Weg zu globalem Einfluss (2011/2012), 118. 9 Vgl. Jan Voerman, Die verborgene Agenda: Was Alpha, Willow Creek und Rick Warren verschweigen (2012), 86. vgl. Dazu auch Padderatz, Zeitgeist., Kapitel „Neo-Evangelikale und Dominionisten“, 202ff. 10 Einen Monat später starb Tony Palmer bei einem Motorradunfall. 11 Luke Coppen, “The Pope’s great Evangelical Gamble”, in: Catholic Herald 24.07.2012; vgl. http://www.catholicherald.co.uk/issues/july-24th-2015/the-popes-great-evangelical-gamble/ 12 Vgl. Rick Howard, Meet It: Iceberg of Deception – A Look Beneath the Surface (2014). Ellen White nannte den Abfall, der durch die Irrlehren John Harvey Kelloggs in der Gemeinde entstanden war, das Alpha des Abfalls und sagte voraus, dass es kurz vor der Wiederkunft zu einem noch schlimmeren Omega des Abfalls kommen werde (Selected Messages I, 200). 13 https://www.erneuerung.de/index.php/wer-wir-sind. 14 http://christiannews.net/2016/08/20. 15 Vgl. Gerhard Padderatz, Amerika: Mit Gewalt in den Gottesstaat (2007). 16 „100 x Chaos“, in: Der Spiegel, 29.04.2017. 17 Zitiert bei ebd. 18 https://deutsch.rt.com/international/43383-us-vizeprasident-mike-pence-christlicher/. 19 Scheuermann, Spiegel, ebd. 20 White, Vom Schatten zum Licht, 397.

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