Wenn das Wort lebendig wird

Reise
Wenn das Wort lebendig wird

Unterwegs in Israel

Jerusalem, das Karmel-Gebirge, das Galiläische Meer, Qumran: Nirgendwo sonst sind wir der biblischen Geschichte so nahe wie im Heiligen Land. Hier befindet sich die Geburtsstätte Jesu sowie viele Orte, an denen der Sohn Gottes erstaunliche Wunder vollbrachte. Auch die Leidens- und Auferstehungsgeschichte Christi erwacht hier zum Leben. Israel – ein Ort, der das Archäologen-Herz – und das eines Pastors – höherschlagen lässt.

Zusammen mit dreißig Predigerkollegen aus Baden-Württemberg, die zum Teil von ihren Ehefrauen begleitet wurden, machten wir uns im Frühjahr dieses Jahres auf den Weg dorthin. Ein streng bewachtes Terminal und ein Flugzeug, das von einem Panzerwagen bis zum Abflug begleitet wurde, ließen bereits erahnen, wie angespannt die heutige Situation in Israel ist. Im Heiligen Land angekommen, wurde schnell klar: Sicherheit wird hier sehr groß geschrieben. An jeder Ecke begegneten wir einem Polizisten oder Soldaten mit gut sichtbarem Schussgerät. Vor allem, wenn es durch palästinensisches Gebiet ging, war es den Israelis wichtig, dass unser israelischer Reiseführer Josef per Mobiltelefon regelmäßig den Ort unserer Gruppe meldete.

Auf der Fahrt nach Tiberias im Norden Israels bekamen wir einen ersten Eindruck vom „Verheißenen Land“. Mit einer Fläche von rund 21.000 Quadratkilometern ist Israel etwas kleiner als das deutsche Bundesland Hessen. Trotzdem ist die Landschaft sehr vielfältig. Im Norden ist es zur Frühlingszeit recht grün. Dort wurde unserem Glaubensvater Abraham das Versprechen vom „Land, in dem Milch und Honig fließen“ (2. Mose 33,3) gegeben. Je weiter man in den Süden des Landes kommt, desto trockener wird es.

Am See Genezareth

In der fruchtbaren Gegend um Tiberias befinden sich die Quellen des Jordans. Daher lebten früher die meisten Einwohner in den Städten um den See Genezareth vom landwirtschaftlichen Betrieb. Ich hatte mich bis zum damaligen Zeitpunkt oft gefragt, warum Nathanael im Neuen Testament die Frage stellte: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Wenn man die Geschichte der Stadt kennenlernt, ist dieser Kommentar nicht mehr so verwunderlich. Da Nazareth etwas höher, in sehr felsigem Gebiet, liegt, mangelte es dort an landwirtschaftlicher Fläche. Die Bewohner Nazareths, und insbesondere die Kinder, waren bekannt dafür, dass sie in die Nachbardörfer gingen und dort unter anderem Obst stahlen.

Jesus verbrachte den Großteil seines Lebens in der Gegend um den See Genezareth. Auf dem Berg der Seligpreisungen am Nordrand des Gewässers soll er seine berühmte Bergpredigt gehalten sowie die Apostel unter seinen Jüngern ausgewählt haben. Ein wirklich idyllisches Plätzchen. Beeindruckend ist von hier aus der Blick auf den See. Am Hügel liegen überall große Basaltsteine, die sich wahrscheinlich schon zur Zeit Jesu dort befanden. Die Hanglage und die großen Steine tragen dazu bei, dass dort eine sehr gute Akustik herrscht. So konnte Jesus zu Tausenden von Menschen sprechen, und alle verstanden ihn.

In dem Garten, der von Israelis angelegt wurde, nehme ich mir Zeit, die Geschichten aus Matthäus 5 bis 7 in Gedanken lebendig werden zu lassen. Ich erinnere mich an Ellen G. White, die einst schrieb: „Es würde für uns gut sein, täglich eine stille Stunde über das Leben Jesu nachzudenken. Wir sollten das ganze Erleben Jesu auf Erden in allen Einzelheiten, besonders aber die letzten Tage, an unserem inneren Auge vorüberziehen lassen.“1

Eine Bootsfahrt auf dem See Genezareth ist in Israel natürlich Pflicht – obwohl mir schon etwas mulmig zumute wird, wenn ich daran denke, dass Petrus und die anderen Jünger hier bestimmt mehr als zwei Mal bei einem Sturm um ihr Leben kämpften. Als wir über das Wasser tuckern, ist alles ruhig. Doch nicht selten verwandeln Fallwinde, die von den umliegenden Bergen herunterstürzen, den See in eine Todesfalle. Es braucht einige Momente, bis ich realisiere, dass vor etwa 2.000 Jahren Jesus vielleicht dort, wo ich gerade bin, über das Wasser ging, um seine Nachfolger zu retten.

Wo (viel) Wasser zu Wein wurde

Um Wasser dreht sich auch alles in Kana. In der Stadt mit etwa 12.000 Einwohnern erinnert eine Gedenkkapelle an das erste Wunder Jesu. Dort ist ein großer Steinkrug zu sehen, der von den Juden früher für rituelle Handwaschungen benutzt wurde. Jesus befahl damals den Dienern, Wasser in solch einen Steinkrug zu füllen und das Getränk vom Speisemeister testen zu lassen. Die sechs Steinkrüge bei der Hochzeit zu Kana fassten je zwei bis drei „Metreten“ (antik-griechische Einheit, um Flüssigkeit zu messen), von denen eine jeweils etwa 40 Liter ausmachte. In ein solches Gefäß aus Stein passten somit insgesamt 80 bis 120 Liter Wasser, die Jesus zu Beginn seines Wirkens in (unvergorenen) Wein verwandelte. Unweit von Kana bekommen wir die Ruinen von Bet Sche’an zu sehen. Man nimmt an, dass auf dem riesigen Ausgrabungsareal bereits im 4. Jahrtausend vor Christus eine Stadt erbaut wurde, deren Herrschaft später die Philister übernahmen. Nach der Schlacht auf dem Berg Gilboa hängten die Philister die Leichname von König Saul und seinen Söhnen an den Mauern auf. Einige Zeit danach eroberte König David Bet Sche’an zusammen mit Megiddo und Taanach. Im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde der Ort schließlich während der Eroberung Nordisraels durch die Assyrer zerstört. Mit der römischen Besetzung 63 v. Chr. ging die Stadt wieder in heidnische Hände über. Zur Blütezeit um 750 n. Chr. stand hier eine florierende 1,3 Quadratkilometer große Römerstadt, an die viele gut erhaltene Gebäudereste erinnern.

Von der Stadt Davids bis nach Golgatha

Weiter südlich thront in den Bergen Judäas, in einer Höhenlage von 610 bis 826 Metern über dem Meeresspiegel, die Stadt Davids. An jeder Ecke sieht man Soldaten und orthodoxe Juden, die leicht an ihrem schwarzen Anzug samt weißem Hemd, großem Hut mit breiter Krempe sowie den typischen Locken an beiden Schläfen zu erkennen sind. Wenn man nicht ganz so orthodox ist, trägt man wenigstens eine kleine Kopfbedeckung namens „Kippa“. Für jeden gläubigen Israeli ist die Klagemauer hier das bedeutendste Heiligtum.

Als wir auf dem Ölberg entlanggehen, eröffnet sich uns ein fantastischer Blick auf die Altstadt Jerusalems. Diese Aussicht hatte auch Jesus, als er auf einem Esel in Jerusalem einzog. Ich schaue auf den Tempelberg und mir wird bewusst, wie gesegnet das Land Israel doch ist. An dieser Stelle, im Allerheiligsten des Tempels, wohnte einst unser Schöpfer bei seinem auserwählten Volk – und auch im Neuen Jerusalem dürfen wir uns auf dieses Privileg freuen.

Am Fuß des Ölbergs in Jerusalem liegt der Garten Gethsemane. Der Name leitet sich ab von „Gath-Schmanim“, was auf Griechisch „Olivenpresse“ bedeutet. Zu biblischen Zeiten wurde hier das Öl für die Rituale am Tempel gewonnen. Es war außerdem ein Rastplatz für diejenigen, die zum Tempel hinaufsteigen wollten. Nach dem letzten Abendmahl rang Jesus in diesem Garten mit Gott im Gebet und wurde kurz darauf festgenommen.

Als wir am Ende der „Via Dolorosa“, einem nach dem Leidensweg Jesu benannten Prozessionsweg in Jerusalem, das Damaskus-Tor passiert haben und zurückschauen, entdecken wir, dass uns zwei Scharfschützen der israelischen Armee ins Visier genommen haben. Später erfahren wir, dass die Gruppe sich in einer gefährlichen Situation befand. Wie gut, dass Gott uns beschützte!

Von allen Orten, die wir während unserer zehntägigen Reise bestaunen dürfen, fesselt mich Golgatha am meisten. Man weiß heute, dass Jesus nicht auf einem Hügel gekreuzigt wurde, sondern an der Hauptstraße, die aus Jerusalem hinausführte. An dieser Stelle kamen alle Menschen, die in die Stadt hinein- oder hinauswollten, vorbei. Die Römer nutzten den Kreuzigungsort Golgatha, was so viel wie „Schädelstätte“ bedeutet, zur Abschreckung. Der angrenzende Hügel erinnert noch heute an die Form eines Schädels.

Alles ist kleiner, als ich es mir vorgestellt habe. Der Weg von Golgatha zum Grab ist deutlich kürzer als gedacht. Wir erfahren, dass das damals praktische Gründe hatte: Man wollte Zeit sparen und die Kreuzigung schnell abschließen, um den Sabbat nicht zu brechen. Ich halte inne und blicke auf das nachgebaute Grab Jesu. Hier ist Jesus seinen letzten Weg gegangen. Hier hing er am Kreuz. Hier hat er meine Erlösung erkauft. Israel – ein Land voller historischer Überbleibsel. Ein Land, das mich daran erinnert, dass Gott selbst sich erniedrigte, um uns zu retten.

Quellen:
1 White, E. G. (1973). Das Leben Jesu. Saatkorn-Verlag Hamburg. S. 67

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