Kommt Jesus 2027 wieder?

Wiederkunft Jesu
Kommt Jesus 2027 wieder?

Die Idee der „kosmischen Woche“ unter die Lupe genommen

Ist der Coronavirus der Anfang vom Ende? Kommt Jesus womöglich im Jahr 2027 (oder kurz davor) wieder? Diese Fragen haben in den vergangenen Monaten viele Adventisten beschäftigt. Aber ist die Vorstellung von Jesu Wiederkunft am Ende einer „Weltzeitwoche“ biblisch haltbar? Dozenten des Theologischen Seminars Bogenhofen haben sich der Frage gestellt, was dran ist an der Idee von einer „kosmischen Woche“.

Gott schuf die Erde in sechs Tagen, dann kam der Sabbat. Da scheint die Vorstellung, dass Jesus nach sechs Jahrtausenden Sünde wiederkommt und dann ein Sabbatjahrtausend – das Millennium – anbricht, eine gewisse Ästhetik zu haben. Und tatsächlich ist die Idee einer sogenannten „Weltzeitwoche“ keineswegs neu, auch wenn sie in den letzten Monaten durch Vorträge und Diskussionen in adventistischen Kreisen wieder stark belebt und mit einer konkreten Datierung versehen wurde.1 Wenn Jesus im Jahr 27 n. Chr. die Versuchung erduldete und Ellen White hier von 4000 Jahren Menschheitsgeschichte spricht, könnten die 6000 Jahre nach Ansicht mancher im Jahr 2027 ablaufen. Außerdem gibt es in Psalm 90,4 und 2. Petrus 3,8 die Aussage, dass bei Gott „tausend Jahre wie ein Tag“ sind. So wie die Schöpfung 6+1 Tage dauerte, wird die Weltgeschichte bis zur Neuschöpfung gemäß dieser Ansicht 6+1 Jahrtausende andauern.

Von Vertretern dieser Theorie lässt sich die chronologische Einordnung der kosmischen Woche folgendermaßen darstellen (unter buchstäblicher Verwendung der Aussagen in Adventist Home, S. 539, und Confrontation, S. 32):

...

Ein kurioses Detail ist die Behauptung, dass die kleine Zeit, die Satan nach Ende des Millenniums zur Vorbereitung auf den letzten Kampf gegen das Neue Jerusalem verwendet (Offb 20,3.7–9), zu der buchstäblich angenommenen Zeit von 6000 Jahren (in denen Satan aktiv ist) gehören muss. So würde der Beginn des Millenniums genau um diese unbekannte Zeit früher erfolgen, also um x Jahre vor 2027.

Es ist nicht verwunderlich, dass eine solche Idee von einer „kosmischen Woche“ die Gemüter erregt und manch einen euphorisch werden lässt. Inzwischen sind weitere Videos abrufbar, die versuchen, die Datierung auf 2027 zu relativieren, da Gott die Zeit auch verkürzen oder verlängern könnte. Das Konzept der „kosmischen Woche“ wird dabei aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

Die Bogenhofener Theologiedozenten haben per YouTube-Video und mittels einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme darauf reagiert (s. Link + QR-Code am Ende des Artikels). Hier sind die wichtigsten Argumente zusammengefasst:

Keine biblische Grundlage

Als biblische Grundlage für eine kosmische Woche werden Psalm 90,4 und 2. Petrus 3,8 herangezogen, wo es heißt: „Denn tausend Jahre sind in deinen Augen wie der gestrige Tag, wenn er vergangen ist, und wie eine Wache in der Nacht“ (Ps 90,4 ELB). Und: „Dies eine aber sei euch nicht verborgen, Geliebte, dass beim Herrn ein Tag ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag“ (2 Pt 3,8 ELB). Diese beiden Texte werden ähnlich wie das Jahr-Tag-Prinzip als Auslegungsschlüssel verwendet und auf die Schöpfungstage angewandt, die dann wiederum auf die Weltzeit in Abschnitte von jeweils 1000 Jahren übertragen werden. Es gibt dafür aber keinerlei biblische Anhaltspunkte.

Beide Texte sprechen nur in Vergleichen von Gottes Unendlichkeit und seiner für uns unbegreiflichen Zeitvorstellung. Mose erklärt in Psalm 90, dass ein Mensch normalerweise nur 70 bis 80 Jahre alt wird und sein Leben schnell davoneilt (V. 10). Dem stellt er die Zeitwahrnehmung eines unendlichen Gottes entgegen, für den 1000 Jahre wie nichts sind (V. 2–4).

Es gilt zu beachten, dass in Vers 4 nicht nur der Vergleich „1000 Jahre wie der gestrige Tag“ (wahrscheinlich die helle Tageszeit von Morgen bis Abend) getroffen wird, sondern auch „1000 Jahre wie eine Nachtwache“, das sind 3-4 Stunden. Wenn jemand hier einen Berechnungsschlüssel sehen will, müsste er begründen, für welchen der beiden Vergleiche er sich entscheidet. Weitere Vergleiche, um die Kurzlebigkeit des Menschen darzustellen, führt Mose in den Versen 5 und 6 an.

Auch die Anspielung auf Psalm 90,4 in 2. Petrus 3,8 wäre da wenig eindeutig, da dort nicht nur „ein Tag wie 1000 Jahre“, sondern auch „1000 Jahre wie ein Tag“ enthalten ist, womit die Richtung der Umrechnung nicht klar wäre. Petrus weist darauf hin, dass die Zeit bis zur Wiederkunft, die uns als lang erscheint, im göttlichen Zeithorizont anders bewertet wird.

In jedem Fall gibt es im Kontext dieser beiden Texte keinen Hinweis darauf, dass sie als Berechnungsschlüssel dienen sollen oder in irgendeinem Zusammenhang zu den sieben Schöpfungstagen stehen. Mose und Petrus stellen keine Formel auf, die im Sinne eines prophetischen Prinzips präzise Berechnungen zulässt. Sie führen Vergleiche an; man beachte die mehrfache Verwendung der Vergleichspartikel „wie“. Dementsprechend ist es nicht legitim, diese Texte aus dem Zusammenhang zu reißen und zur Grundlage einer spekulativen Theorie zu machen.

Historischer Hintergrund

Auch in der jüdischen Mystik und Apokalyptik existierte bereits die Vorstellung von einer kosmischen Woche (Jahrtausendwoche).2 Im Christentum fand sie nachweislich ab dem 2. Jhd. n. Chr. Eingang3 und war zu vielen Zeiten sehr beliebt. Das Ende der 6000 Jahre – und damit die Wiederkunft – wurde dabei immer weiter nach hinten verschoben. Zunächst erwartete man die Wiederkunft um 500 n. Chr., dann 800, dann 1000, später in der Zeit der Reformation usw. Auch Adventisten spekulierten anhand einer kosmischen Woche mit dem Ende im Jahr 1844, spätere Vorschläge beinhalten: bis 1900, um 2000 und nun 2027 oder sogar früher. Auch 2031 und 2034 sind schon vorgeschlagen worden. Obwohl die Idee der kosmischen Woche gelegentlich in der Adventbewegung aufgetaucht ist, hat sie sich dort nie durchgesetzt und wurde auch von Ellen White nie vertreten.

Ellen White und die 6000 Jahre

Dass die Welt angeblich genau 6000 Jahre existiert, wird mit Zitaten von Ellen White begründet. Sie erwähnt 6000 Jahre in ihren Schriften 42 Mal. Allerdings gebraucht sie diesen Ausdruck nicht als exakte, sondern als runde Zahl. Das zeigt sich daran, dass sie meistens Wörter wie „nahezu“, „fast“, „ungefähr“ oder „über“ vor den 6000 Jahren verwendet. Außerdem macht sie diese Aussagen zu ganz verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Zusammenhängen, die sich – wenn man sie wörtlich nimmt – widersprechen (z. B. Schöpfung bis Geburt Jesu = 4000 Jahre, dann wären die 6000 Jahre schon um 2000 abgelaufen; oder 6000 Jahre = Schöpfung bis 1864/1890/1913 usw.). Wenn man sich auf Ellen White stützen möchte, um exakte 6000 Jahre Menschheitsgeschichte zu beweisen, muss man sich mit diesen Unterschieden auseinandersetzen.

Die Lösung besteht nun nicht darin, Ellen Whites Inspiration in Frage zu stellen, sondern zu verstehen, dass sie nach eigenen Angaben nicht alle historischen Zahlen offenbart bekommen hat, sondern diese anhand der ihr zur Verfügung stehenden Quellen selbst recherchiert, übernommen und hinzugefügt hat. Zu ihrer Zeit galt die im Jahr 1650 erstellte Chronologie von Erzbischof James Ussher als unumstritten, bei der die Daten der biblischen Geschichte so zusammenaddiert wurden, dass man auf 4004 v. Chr. als Datum der Schöpfung kommt. Von den 4000 bzw. 6000 Jahren zu sprechen, war zu Ellen Whites Zeiten normaler protestantisch-christlicher Sprachgebrauch und überdies eine Art Floskel, mit der man sich klar vom damals neuen Trend der Evolutionisten abgegrenzt hat.

Probleme in der Auffassung biblischer Chronologie

Usshers Chronologie wird heute auch von konservativen Theologen nicht mehr verwendet, weil sie auf einigen Annahmen basiert, die nicht haltbar sind. So zeigt ein genauer Vergleich biblischer Genealogien, dass manchmal eine oder mehrere Generationen ausgelassen werden. Diese Stammbäume waren nicht wie unsere heutigen Stammbäume auf Lückenlosigkeit ausgelegt, sondern bestärkten Identität, überbrückten große Zeiträume in der Erzählung und vermittelten oft auch theologische Erkenntnisse (siehe Matthäus 1, wo dies am deutlichsten nachweisbar ist). Wenn man das berücksichtigt, erübrigt sich ein Aufaddieren der Jahreszahlen.

Beachtenswert sind überdies die historischen Probleme, die bei Usshers Chronologie entstehen (z. B. hätte Abraham noch Noah gekannt und wäre von Sem, Ham und Japhet weit überlebt worden, weil sein Auszug aus Ur nur 370 Jahre nach der Flut geschehen wäre). Wer nun meint, die 6000 Jahre könnten sich bis 2027 strecken, verlegt das Datum der Schöpfung noch weiter nach vorne ins Jahr 3974 v. Chr. Ein solches Datum kann nicht mit der biblischen Chronologie und dem, was wir aus der Geschichte wissen, in Einklang gebracht werden.

Ellen White schweigt und warnt

Auch wenn Vertreter der kosmischen Woche sich auf Aussagen von Ellen White berufen, findet man keine einzige Aussage ihrerseits, die dieses Konzept unterstützt – obwohl es ihr mit Sicherheit bekannt war, weil manche ihrer Zeitgenossen (z. B. J.N. Andrews) damit Berechnungen anstellten. Stattdessen erklärt sie zum Beispiel, dass Jesus vor 1883 bereits hätte wiederkommen können (FG1 71 = 1SM 68), was schwerlich mit der momentan kursierenden Auslegung kompatibel ist.

Außerdem warnt sie ausdrücklich vor Spekulationen zum Datum der Wiederkunft (siehe auch www.ellenwhite.de/berechnung-von-daten). Hier nur eine ihrer Aussagen: „Wenn Leute den Termin der Wiederkunft Jesu festlegen, ist das ein Zeichen dafür, dass ihre Botschaft falsch ist. Niemand ist von Gott befugt, solch ein Datum zu nennen oder zu sagen, Jesus würde in fünf, zehn oder zwanzig Jahren kommen“ (2FG 112 = 2SM 113). Wenn Ellen White sagt, dass Zeitbestimmungen für die Wiederkunft nicht in Ordnung sind (siehe z. B. 1FG 198–200 = 1SM 188–189), dann versteht es sich von selbst, dass wir ihre Aussagen nicht dafür verwenden dürfen, um solche Berechnungen anzustellen.

Die Bibel lässt keinen Raum für Berechnung

Jesu Erklärung aus Matthäus 24,36 wird von denjenigen, die ein Datum für die Wiederkunft nennen, immer wieder relativiert oder uminterpretiert, hat aber eigentlich nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Er sagt unmissverständlich, dass niemand den Tag oder die Stunde der Wiederkunft „kennt“. Das verwendete Wort für „kennen“ (Griechisch oida) bedeutet an allen 318 Stellen im Neuen Testament, wie auch in der gesamten klassischen Literatur, immer „wissen/kennen“, nie jedoch „bekannt machen“.

Auch Apostelgeschichte 1,7 betont, dass wir die von Gott festgesetzte Zeit nicht kennen. Christus wies seine Jünger nachdrücklich darauf hin: „Es ist nicht eure Sache, Zeiten (chronos) oder Zeitpunkte (kairos) zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat“ (ELB). Wir sollten also keine Zeitbotschaft im Hinblick auf die Wiederkunft geben und dafür weder direkt noch indirekt Zeitpunkte (kairos) oder Zeitspannen (chronos) nennen.

Es mag dadurch kurzfristig zu einer Erweckung kommen, deren Enttäuschung aber nur in Abstumpfung und Entmutigung mündet. Die adventistische Verkündigung der baldigen Wiederkunft Jesu verliert an Glaubwürdigkeit, wenn Daten genannt werden. Auch das sogenannte „Soft Date Setting“ (das Nennen einer Zeitspanne, in der sich die Wiederkunft ereignen wird) bildet hier keine Ausnahme, da es letztlich ebenfalls darauf hinausläuft, dass man sich fragt, wann diese Zeitspanne endet.

Die beste Form adventistischer Erwartung

Die Naherwartung der Wiederkunft und die Verkündigung unserer Botschaft sind biblisch begründet. Sie hängen nicht von der Idee einer kosmischen Woche ab. Als Adventisten halten wir nach wie vor an der Überzeugung fest, dass es wichtig ist, die Bibel ausgewogen, vernünftig und methodisch sauber auszulegen. Das gilt natürlich auch für die Schriften von Ellen White, der wir prophetische Bedeutung beimessen.

Darüber hinaus glauben wir an die baldige Wiederkunft Christi, die zu unseren Lebzeiten stattfinden könnte. Und dass die Dringlichkeit der Verkündigung durch Wort und Leben keiner Festsetzung einer Zeit(spanne) für die Wiederkunft bedarf. Die beste Form adventistischer Erwartung sollte daher in einer Stetsbereitschaft und einer Konzentration auf Jesus bestehen sowie der Verkündigung des Evangeliums und unserer persönlichen Herzensvorbereitung.

Dieser Artikel wurde von Dozenten des Theologischen Seminars Bogenhofen erarbeitet und von Luise Schneeweiß sowie Martin Pröbstle zusammengefasst.

Die ausführliche Stellungnahme zu dem Thema geht auf jedes Argument noch näher ein und bietet Belegtexte und Erklärungen. Ziel dieser Ausarbeitung ist es, Verunsicherung abzubauen und vor der Spekulation mit einer kosmischen Woche zu warnen:

https://www.bogenhofen.at/de/theologie/theologisches-vom-semniar/?d1=467&d2=1592476986

Zum Video geht es hier: https://youtu.be/zoNPgVmuVXw

Quellen:

1 Walter Veith, „Is This The End? – What's Up Prof? 8“, YouTube Video, 1:58:03, Amazing Discoveries Africa, veröffentlicht am 23.04.2020 unter https://www.youtube.com/watch?v=v6h4H1DHQzc.
2 Siehe dazu Jubiläen, 4,29–30; 11Q12 Frag. 5,1–4 und 2. Henoch 33,1–2.
3 Barnabasbrief, 15,3–8; Justin, Dialog, 81; Irenäus, Gegen die Häresien, 5.23.2; 5.28.3; Hippolyt, Danielkommentar, 23,4–5.

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