Sabbat
Kampf gegen den Sabbat
Die Geschichte der Sabbatfeier in der christlichen Kirche
Wir befinden uns auf dem Roten Platz in Moskau. Es ist der 27. Dezember 1504. An diesem Tag soll der Priester und Theologe der Orthodoxen Kirche, Ivan Karitsyn, öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Warum? Weil er den Sabbat gefeiert hat. Hätte er zu jener Stunde noch ein Zeugnis ablegen können, hätte es sich vielleicht so angehört: „Ich bin Ivan Karitsyn, ein Christ. Ich bete um Kraft, einen ehrwürdigen Tod zu sterben. Ich sterbe für meinen Glauben. Ich werde sterben, weil ich das geglaubt und gelehrt habe, was die Heilige Schrift enthält, im Alten wie im Neuen Testament. Ich werde heute sterben, weil ich den siebten Tag der Woche, den heiligen Sabbat Gottes, gefeiert habe. Ich hatte eine solche Hoffnung und eine solche Vision, dass die ganze russische Kirche nach dem Evangelium erweckt und erneuert werden würde. Aber jetzt kommt alles zum Ende.“1
Ein Sabbatfeiernder auf dem Zarenthron?
Ivan und andere Priester waren Teil einer Sabbatbewegung, die auch als die „Subbotniki“ oder die „Nowgorod-Moskau-Bewegung“ bezeichnet wird und die gegen Ende des 15. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde. Ivan III (auch der Große genannt), der den Zarentitel annahm, war der Subbotniki-Bewegung anfangs wohlgesinnt. Er rief sogar zwei sabbatfeiernde Priester von Nowgorod, wo die Bewegung ihren Anfang genommen hatte, nach Moskau, damit sie als Priester in zwei berühmten Kathedralen dienten. Auch seine Schwiegertochter Elena hielt den Sabbat und sein Enkel, Dimitri, der Sohn von Elena und Ivans verstorbenem Sohn, ebenfalls. Ivan der Große hatte seinen Enkel Dimitri sogar als Nachfolger bestimmt. Wenn das eingetroffen wäre, dann hätte es auf dem Thron des stark gewordenen Russlands einen Zaren gegeben, der den Sabbat gefeiert hätte.
Doch dann kam der Umschwung. Ivan III heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau ein zweites Mal. Die Auserwählte: Sophia, eine griechische Prinzessin, die in Italien streng katholisch erzogen wurde. Rom hoffte, dass Moskau durch diese Hochzeit näher an Rom gezogen werden könnte. Sophia hasste die sabbatfeiernden Priester, Elena und deren Sohn Dimitri. Der Erzbischof von Nowgorod, Gennadij, stand auf ihrer Seite. Er war ein fanatischer Gegner der Bewegung. Diese „Judensekte“, wie man sie nannte, die sogar den dreieinigen Gott ablehnte, wie deren Gegner fälschlicherweise meinten, müsste ausgerottet werden.2 In Verbindung mit dem Konzil von Moskau im Jahr 1490 wurde die Sabbatbewegung als Ketzerei verurteilt. Die Folge davon wurde anfangs beschrieben. Folglich bestieg nicht der sabbatfeiernde Enkel, wie ursprünglich vom Zaren versprochen, nach dessen Tod den Thron, sondern sein Sohn Basil III zusammen mit Sophia.
Paradiesischer Ursprung
Eigentlich müssen wir mit unserer Geschichte des Sabbats an ganz anderer Stelle anfangen, nämlich bei Adam und Eva. Gemäß der Heiligen Schrift geht der Sabbat auf den Schöpfungsbericht zurück. Gott selbst, so sagt uns der biblische Text, ruhte nach der sechstägigen Schöpfung am siebten Tag. Wenn es auf Deutsch ein Verb (Tätigkeitswort) geben würde, das vom Substantiv (Hauptwort) „Sabbat“ abgeleitet wäre, dann würde es heißen: „und er sabbate am siebenten Tag“. Von dieser sprachlichen Wurzel hat auch der siebte Tag seinen Namen, nämlich „Sabbat“, bekommen, was immer noch am deutschen Wochennamen „Samstag“ wiederzuerkennen ist. Jedes Mal, wenn wir anstelle Sonnabend „Samstag“ sagen, sprechen wir eigentlich vom „Sabbat“, der im Deutschen über „sambaztag“ eine sprachliche Entwicklung durchgemacht hat.
Wenn Gott am Sabbat „ruhte“, dann natürlich nicht, weil er müde war und seine Kräfte nachließen. Gott schuf die Welt für die Menschen und lebte ihnen vor, wie sie die Zeit einteilen sollen. Vor allem sollten sie nie vergessen, dass Gott ihr Schöpfer ist und sie seine Geschöpfe. Es ist interessant, dass der Mensch unmittelbar nach seiner Schöpfung nicht gleich arbeiten sollte, sondern zunächst Gott als den Schöpfer feiern und ihn anbeten, über das Geschenk der Schöpfung jubeln und sich freuen sollte. Damit wurden von Anfang an die Prioritäten festgelegt. Unser Wert und unsere Würde als Mensch liegen nicht, wie es in unserer von der Ökonomie geprägten Arbeitswelt der Fall ist, in unserem Schaffen und Arbeiten, sondern im Bewusstsein, dass wir aus der Hand Gottes entstanden sind. Der Sabbat sollte uns immer daran erinnern, wo wir herkommen und wer unser Gott ist.
Von diesem Ursprung könnten wir die Geschichte des Sabbats durch die Bibel bis in unsere Tage verfolgen. Nicht unbedingt lückenlos. Oft hatte Gottes Volk den Sabbat vergessen oder man wurde gezwungen, als Sklave am Sabbat zu arbeiten. Aber Gott sorgte dafür, dass der Schöpfungssabbat nicht für immer in Vergessenheit geriet. Sowohl im Alten wie im Neuen Testament gibt es viele Zeugnisse der Sabbatfeier. Und es gibt keine Nachweise dafür, dass Jesus, die Apostel oder die Urgemeinde, dessen Heilige Schrift das Alte Testament war, den Sabbat abschafften oder ihn durch einen anderen Tag ersetzten.
Der Sonntag wird zum Ruhetag
Wenn es im Neuen Testament keine Beweise für die Veränderung des Ruhetages gibt, warum wurde dann ein neuer Tag für den Gottesdienst und später als Ruhetag eingeführt? Dazu gibt es einige Gründe, auf die wir an dieser Stelle nur in Kurzform eingehen können:
1. Einfluss der Sonnenanbetung
Historische Forschungen der Neuzeit haben gezeigt, dass die Sonnenanbetung im Römischen Reich zur Zeit Christi weit verbreitet war. Die Sonne wurde als Gottheit nicht nur allgemein, sondern auch spezifisch am Tag der Sonne verehrt.3
2. Allegorische Auslegung des Alten Testamentes
Den Schöpfungsbericht und viele andere Passagen des Alten Testamentes verstand man nicht buchstäblich, sondern symbolisch, bildlich, als Metapher. So hatte man zum Beispiel bereits im zweiten Jahrhundert die Idee, dass ein Schöpfungstag gleichzusetzen sei mit 1.000 Jahren.
3. Antijüdische Tendenzen
Um die antijüdischen Tendenzen zu analysieren, gibt es ganze Bücher.4 Wir finden Antisemitismus sowohl bei Autoren der heidnischen Römer und deren Gesetzgeber als auch bei frühen christlichen Verfassern ab Mitte des zweiten Jahrhunderts.
4. Verlegung der Osterfeier auf den ersten Tag der Woche
Laut Bibel fällt Ostern nicht auf einen bestimmten Tag im Jahr, sondern findet jährlich an einem bestimmten Datum statt: dem 14. Nisan, d.h. dem 14. Tag des ersten Monats im jüdisch-religiösen Kalender. Dies wurde unter Streitigkeiten (s. Osterstreit oder Quartodezimaner-Streit) zwischen Ost- und Westkirche in der späteren Hälfte des zweiten Jahrhunderts verändert und auf einen bestimmten Tag im Jahr, einen Sonntag, gelegt.
5. Die jährliche Osterfeier wird wöchentlich gefeiert
Man feierte also „Ostern“ jeden Sonntag. Der Sonntag war aber noch kein Ruhetag. Die Christen waren immer noch eine verfolgte Minderheit, die oft im Geheimen – früh am Morgen oder am Abend – das Abendmahl feierten.
6. Das Sabbatfasten wird eingeführt
Um sich auf „Ostern“ vorzubereiten, fastete man freitags, an Jesu Todestag. Jetzt sollte man auch noch wöchentlich am Sabbat fasten – in Erinnerung an Jesu Grabesruhe und um sich umso mehr auf den Auferstehungstag, Sonntag, freuen zu können, an dem es reichlich zu essen gab. Das Fasten wurde als eine Pflicht verstanden, die man mit Unmut durchführte. Somit verstand man das Sabbatfasten und damit auch den Sabbat als etwas Negatives. Dieses Sabbatfasten wurde zunächst nur in Rom und Alexandrien eingeführt und niemals in den sogenannten Ostkirchen.
7. Der Einfluss des sogenannten „Reformators Marcion“
Marcion, der zwischen 85 und 160 n. Chr. wirkte, war der Begründer einer einflussreichen christlichen Richtung mit gnostischen Einflüssen. Er wurde zwar von den damaligen Kirchenvätern verworfen und auch von der römischen Gemeinde ausgeschlossen, hatte aber weiterhin einen gewissen Einfluss auf das Denken in den Gemeinden, die sich um ihn scharten. Er lehnte scharf den Gott des Alten Testamentes ab und schuf seinen eigenen Kanon des „Neuen Testamentes“, der aus dem Lukas-Evangelium und zehn Briefen des Paulus bestand – alle „gereinigt“ von Gedanken des Alten Testamentes.
8. Die zivile Sonntagsgesetzgebung von Kaiser Konstantin
Das bekannte Sonntagsgesetz von Kaiser Konstantin war kein kirchliches Gesetz, denn Konstantin war zu jener Zeit noch kein Christ. Er wurde erst kurz vor seinem Tod im Jahre 337 n. Chr. getauft. Im Jahre 321 n. Chr. erließ Konstantin das Sonntagsgesetz, um den Tag der Sonne („sol invictus“, die unbesiegbare Sonne) als Ruhetag zu beschützen. Mit diesem Schachzug konnte er sowohl den Heiden als auch den Christen, die weitläufig sowieso das wöchentliche „Osterfest“ am Sonntag feierten, einen großen Gefallen tun. Er wollte sie vereinen und beiden Gruppen einen gemeinsamen Ruhetag geben. Damit wurde der Sabbat stark benachteiligt und in die Ecke gedrängt. Denn wer von der einfachen Bevölkerung war schon reich genug, um zwei Tage lang nicht zu arbeiten? Da am Sonntag per Dekret nicht gearbeitet werden durfte, musste man am Sonntag ruhen. An dieser Stelle wurden die Weichen für spätere kirchliche und zivile Sonntagsgesetzgebungen gestellt.
Der Sabbat überlebt
Es ist und bleibt herausfordernd, die vielen Zeugnisse der Sabbatfeier in wenigen Abschnitten zu beschreiben. Vor mir liegt ein Buch von Willy Rordorf, einem Theologen aus der Schweiz: Sabbat und Sonntag in der Alten Kirche. Dies ist ein Quellenbuch von über 230 Seiten, das Zitate in Bezug auf den Sabbat und Sonntag von den christlichen Verfassern der ersten fünfhundert Jahre im Original (griechisch und lateinisch) mit deutscher Übersetzung enthält.5 Daneben liegt ein Dokument meines früheren Professors für Kirchengeschichte, Dr. Mervyn Maxwell, Sohn des bekannten Arthur Maxwell, mit 1.000 Seiten. Seine Sammlung enthält die gesamte Länge der Geschichte der Kirche zum Thema Sabbat und Sonntag. Empfehlenswert ist auch ein Buch über die Geschichte des Sabbats, geschrieben von Professoren der adventistischen Andrews University6, sowie das klassische Werk zu diesem Thema: L.R. Conradi, Die Geschichte des Sabbats und des ersten Tages.7
Ich liste dieses Material hier auf, um die große Auswahl an Belegen für die Sabbatfeier über zwei Jahrtausende aufzuzeigen. Aber wir wollen mit einem anderen interessanten Detail beginnen, das ein wunderbares Zeugnis für den Sabbat ist.
Die Sprachen der Welt trügen nicht
Während Recherchen für meine Doktorarbeit8 stieß ich in der Bibliothek des Britischen Museums in London auf eine sehr interessante Forschungsarbeit eines Siebenten-Tags-Baptisten, William M. Jones. Er untersuchte 160 alte und neue Sprachen weltweit9, um herausfinden, wie die Zeiteinheit „Woche“ samt ihren sieben Tagen in den verschieden Sprachen benannt wurde.
Faszinierend ist, dass die Wocheneinheit fast universell auf der ganzen Welt verbreitet ist. Woher stammt die Sieben-Tage-Zeiteinheit der Woche? Diesbezüglich gibt es verschiedene Theorien. Aber keine ist für mich zufriedenstellend, bis auf den biblischen Bericht auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift. Tag, Monat und Jahr haben etwas mit dem Kreislauf der Erde und der Sonne zu tun, nicht aber die Woche. In vielen Sprachen zählt man nur die Tage von eins bis sieben. Andere haben die lateinischen Namen für die Wochentage übernommen: Vom Tag der Sonne, dem ersten Tag, bis zum Tag des Saturns, dem siebenten Tag.
Nun kommt etwas sehr Interessantes: Die Hälfte der Sprachen, die Dr. William M. Jones in seiner Liste aufführt, also 80 von 160, enthalten das Wort „Sabbat“ oder ein Wort, das eine Ableitung darstellt. Diese starke Erinnerung in über 80 Sprachen werte ich als Hinweis, dass Gott über diesen Tag gewacht hat. Selbst in Ländern, wo man diesen Tag bekämpfte und als Ruhetag hasste, hat man doch nicht vermocht, ihn aus der Sprache zu verdrängen. Man denke nicht nur an die mittelalterliche Kirche mit ihrem politischen Einfluss, sondern beispielsweise auch an die Hitler-Diktatur, während der Juden grausam verfolgt und der Sabbat als „jüdisch“ verhöhnt wurde. Ähnliches könnte man von der früheren Sowjetunion behaupten, die die Wocheneinheit und somit auch die Wochentage zu verändern versuchte.
Selbst in Sprachen wie Arabisch oder Farsi, in der die Tage gezählt werden, unterbricht man bei Freitag und nennt diesen „Versammlungstag“, weil man an jenem Tag in der Moschee zusammenkommt. Das Interessante: Am siebten Tag kehrt man nicht zur Zahl sieben zurück, sondern nennt diesen Tag „Sabbat“. Und das selbst im Iran, wo die religiöse und politische Elite Israel den Tod wünscht.10
Auch bei einigen der Sprachen, die Wochentage nach Planeten benennen (z.B. bei südeuropäischen oder romanischen Sprachen) wird die Planetenwoche unterbrochen, wenn man zum letzten Tag der Woche kommt. Der siebte Tag heißt dann nicht „Tag des Saturns“, sondern „Sabbat“.11 Das erkennen wir selbst in der deutschen Sprache. Dort finden wir Sonne und Mond sowie Namen germanisch/nordischer Götter – mit Ausnahme von Mittwoch. Doch mit dem Namen „Samstag“ für den siebten Tag kehrt man zum biblischen „Sabbat“ zurück.
Wurzel der alten Kirchen
Einige alte Kirchen behaupten, dass sie von den Aposteln oder dessen unmittelbaren Wegbegleitern gegründet wurden. So bezieht sich etwa die römisch-katholische Kirche auf Petrus und Paulus, während die koptische Kirche in Ägypten den Evangelisten Markus als Begründer hervorhebt. Die Thomaschristen in Indien meinen, dass der Apostel Thomas das Evangelium nach Indien gebracht habe und die armenische Kirche glaubt, dass sie die Gute Nachricht von den Aposteln Bartholomäus und Thaddeus erhalten hätte. Da Jesus und seine Jünger sowie die ersten Christen alle Juden waren oder zu den „Gottesfürchtigen“ (Nicht-Juden mit jüdischen Merkmalen, wie z.B. Sabbatfeier) gehörten, war ihnen allen der Sabbat als Feiertag gemeinsam. Schließlich wurde der Sabbat ja selbst in den Zehn Geboten, die sie alle ehrten, hervorgehoben. Ihre Heilige Schrift war das Alte Testament. Einige dieser alten Kirchen bewahrten über Jahrhunderte großen Respekt vor dem Schöpfungssabbat, andere stempelten ihn später als „jüdisch“ ab und verboten ihren Mitgliedern, an diesem Tag zu ruhen.
Die Apostel und ihr Verständnis der Zehn Gebote
Papias (ca. 70 bis 163 n. Chr.), der uns zwar keine direkten Informationen dazu liefert, ist dennoch ein indirekter Zeuge für die Weitergabe des Sabbats. Er gehört zu den Personen, die man im Allgemeinen die „Apostolischen Väter“ nennt – also christliche Verfasser, die unmittelbaren Kontakt mit den Aposteln oder deren direkten Nachfolgern hatten. Papias war Bischof in Hierapolis (Phrygien), das heute Pamukkale heißt und in der Türkei liegt. Bei der Bezeichnung „Bischof“ brauchen wir jedoch nicht gleich ein „rotes Tuch zu sehen“. „Bischof“ ist eine Bezeichnung, die man im Neuen Testament häufig vorfindet, und damit ist ein ,Gemeindeältester‘ , vielleicht von einer lokalen Hausgemeinde, gemeint. Die Lebenszeit von Papias war eine Zeit der Verfolgung. Das Christentum wurde erst 311 bzw. 313 n. Chr. offiziell als „erlaubte“ Religion anerkannt. Von Papias wird bezeugt, dass er ein „Hörer“ des Apostels Johannes war. Er kannte ihn persönlich und damit auch den Sabbat, den Johannes feierte. Papias schrieb fünf Bücher über die „Erklärungen der Worte Jesu“, die jedoch nicht überlebt haben. Nur Bruchstücke von anderen Verfassern der damaligen Zeit sind bekannt. Papias hatte Interesse daran, mit Leuten in Verbindung zu kommen, die die Jünger Jesu persönlich kannten. Er wollte nämlich die vielen Worte Jesu, die er gehört und gesammelt hatte, nachgeprüft und bestätigt bekommen.
Papias hatte einen Kollegen mit Namen Polykarp (ca. 69 bis etwa 166 n. Chr.), der Bischof in Smyrna (heute Izmir/Türkei) war. Polykarp war ein Jünger des Apostels Johannes, der ihn sogar als Leiter der Gemeinde (Bischof) eingesetzt haben soll. (Übrigens wird in dem Traktat „Das Martyrium des Polykarp“ (siehe „Apostolische Väter“) sowohl der Freitag als Vorbereitungstag als auch der Sabbat erwähnt.)
Einige Bruchteile der Schriftstücke von Papias sind in den Schriften eines anderen christlichen Verfassers, Irenäus (ca. 142 bis ca. 200 n. Chr.) enthalten. Irenäus war Gemeindeleiter bzw. Bischof in Lyon und Vienne (Südfrankreich). Er wird auch als einer der frühen christlichen Apologeten (Verteidiger des christlichen Glaubens gegenüber Irrlehren) bezeichnet. Irenäus stammte ursprünglich aus Kleinasien (Türkei) und war in seinen jungen Jahren ein Schüler von Polykarp. Irenäus hatte eine sehr positive Sicht in Bezug auf den biblischen Sabbat. Er schreibt z.B. in seinen fünf Büchern Gegen die Häresien (Irrlehren): „[Christus] hat nichts gegen das Gesetz getan, als er am Sabbat heilte. Das Gesetz hat nicht verboten, Menschen am Sabbat zu heilen.“ Etwas später fügt er hinzu: „Denn er [Christus] hat nicht das Gesetz aufgehoben, sondern es erfüllt [...]“12
Diese Informationen über Papias, Polykarp und Irenäus sollen die enge Verbindung der Apostel mit der nächsten Generation von Christen veranschaulichen. Zweifellos gaben die Apostel auch ihr Verständnis der Zehn Gebote und deren Bedeutung für das tägliche Leben weiter. Darin muss als natürliche Folge auch die Sabbatfeier inbegriffen gewesen sein.
Ein frühes Gemeindehandbuch bezeugt die Bedeutung der Sabbatfeier
Die Apostolischen Konstitutionen sind etwas Ähnliches wie Kirchenordnungen oder Gemeindehandbücher, die gegen Ende des vierten Jahrhunderts (375 bis 380 n.Chr.) entstanden. Sie bestanden aus acht Teilen oder Büchern und stützen sich auf frühere Gemeindeordnungen, wie z.B. die Didaché (ca. 100 n. Chr.), die Didaskalia (ca. 230 bis ca. 250 n. Chr.) und eine frühere apostolische Kirchenordnung aus dem dritten Jahrhundert. (An der Stelle ist es wichtig anzumerken, dass diese Kirchenordnung aus der nachkonstantinischen Zeit stammt, in der das zivile Sonntagsgesetz (321 n.Chr.) schon fünfzig Jahre lang existierte.) Diese Gemeindeordnungen beschäftigen sich mit etlichen Themen: der Einsetzung von Bischöfen (Gemeindeältesten), Fasten, Gebet, dem Alltagsleben von Christen usw. Des Öfteren wird dabei auf die Bedeutung der Zehn Gebote hingewiesen, bis hin zu der Anweisung, diese Gebote im Gottesdienst zu rezitieren, also aufzusagen.
Zudem finden sich dort auch einige Aussagen über den Sabbat. So wird z.B. der Gemeindeleiter (Bischof) angehalten, seine Gemeindeglieder täglich zum Morgen- und Abendgebet zu versammeln; und dann wird hinzugefügt: „aber hauptsächlich [soll man zusammenkommen] am Sabbat.“ Schließlich setzt der Text fort: „Und am Tag der Auferstehung des Herrn, welches der Tag des Herrn ist, kommt fleißig zusammen, um Lobpreis zu Gott zu senden, der durch Jesus das Universum schuf, ihn zu uns sandte, ihn leiden und von den Toten auferstehen ließ.“13 Wir finden außerdem die Aussage: „Gedenke allezeit der Zehn Gebote [...] Du sollst den Sabbattag halten [...]“14 Im siebten Buch dieser Gemeindeordnung gibt es noch einen anderen interessanten Satz: „Den Sabbat natürlich und den Tag des Herrn begeht mit Festfreude, denn der eine [Tag] ist ein Gedenken an die Schöpfung und der andere ein Gedenken an die Auferstehung.“15 Des Weiteren wird in jener Kirchenverfassung betont, dass am Sabbat nicht gefastet werden soll, wie es die westlichen Kirchen, also Rom, vorschrieben. Der Sabbat sei nämlich als Festtag hervorgehoben. Nur an einem Sabbat sollte gefastet werden, nämlich am Ostersabbat, an dem Jesus für uns im Grab lag. Dann folgt im achten Buch eine überraschende Aussage in Bezug auf den Sabbat: „Ich, Paulus, und ich, Petrus, verordnen: Die Sklaven sollen fünf Tage arbeiten. Am Sabbat und am Tag des Herrn sollen sie Zeit für die Glaubensunterweisung haben, der Sabbat hat nämlich seine Begründung in der Schöpfung, der Tag des Herrn in der Auferstehung.“16 Diese Kirchenordnung, die den Sabbat als eine Schöpfungsordnung ansah, war in den östlichen Kirchen sehr verbreitet, allerdings nicht so sehr im westlichen Teil des römischen Reiches, der unter dem Einfluss des Bischofs von Rom, später unter dem Patriarchen von Rom, stand.
Strenge Kirchensynode gegen die Sabbatruhe
Im Gegensatz dazu beschloss eine lokale Synode in Laodizea (Kleinasien/Türkei), die etwa um 360 n. Chr. abgehalten wurde, im Kanon 29 Folgendes: „Christen sollen nicht wie Juden leben und [nicht wie sie] am Sabbat nichts tun, sondern [Christen sollen] an diesem Tag arbeiten. Den Sonntag sollen sie vorziehen, wenn es möglich ist, und sich nichts vornehmen. Sollten sie andererseits sich wie Juden verhalten [und Sabbat feiern und nicht arbeiten], sind sie von Christus ausgestoßen.“17
Auch wenn hier ganz neue Töne zum Vorschein kommen, ist es gleichzeitig ein Beweis, dass viele Christen zu dieser Zeit noch den Sabbat treu hielten und nicht arbeiteten. Denn sonst hätte diese Synode bzw. das Konzil sich wohl kaum so deutlich gegen die Sabbatfeier ausgesprochen. Hier finden wir den ersten Beschluss, der sich direkt gegen Gottes Anordnungen richtet und entgegen Gottes ausdrücklichen Willen Personen zwingt, an Gottes Ruhetag zu arbeiten.
Zwei frühe Kirchenhistoriker bezeugen den Sabbat
Wenn von zwei Kirchenhistorikern die Rede ist, sind zwei gelehrte Personen des vierten und fünften Jahrhunderts gemeint. Der eine hieß Sokrates Scholasticus (ca. 380 bis ca. 440 n. Chr.), war Jurist und arbeitete in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul). (Konstantinopel wurde auch das „neue Rom“ genannt, weil seit 330 n. Chr. der Sitz des römischen Kaisers von Rom nach Konstantinopel verlegt wurde.)
Der andere Geschichtsschreiber wurde Sozomen genannt (ca. 400 bis ca. 450 n. Chr.). Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, studierte Jura in Beirut und wurde Rechtsanwalt. Er reiste nach Konstantinopel und arbeitete wahrscheinlich am kaiserlichen Hof.
Beide schreiben in ihren umfassenden Geschichtswerken etwas über den Sabbat – nämlich, dass man an jedem wöchentlichen Sabbat, wie auch am Sonntag, zusammenkommt, um das Abendmahl zu feiern. In meinen Augen sind Sokrates Scholasticus und Sozomen zwei bedeutungsvolle Zeugen von vielen anderen, die deutlich beweisen, dass der Sabbat in den ersten Jahrhunderten als ein von Gott gesegneter und geheiligter Tag angesehen wurde – trotz Widerstand von Rom und Alexandrien, wo man das Abendmahl nicht am Sabbat feierte.18
Streitpunkt Sabbat
Wenn wir in die Zeit des Hohen Mittelalters springen, merken wir, wie ein scharfer Riss durch die Christenheit ging. Dieser Riss ist bis heute noch nicht geheilt. Der Streit zwischen Ost und West, zwischen Konstantinopel und Rom, reicht weit in die Geschichte zurück – bis zur Mitte des neunten Jahrhunderts und noch weiter.
Kirchlich gesehen stand Bulgarien unter der Aufsicht von Konstantinopel. Boris I (852 bis 889 n. Chr.), der erste Regent des bulgarischen Reiches, wandte sich jedoch im Jahre 865 n. Chr. an den Papst von Rom, Nikolaus I (858 bis 867 n. Chr.), und stellte ihm in einem Brief 106 Fragen in Bezug auf den christlichen Glauben. Unter vielen anderen wurden auch Fragen des Sabbats und Sonntags darin berührt.
Die Schlussfolgerung: Zu dieser Zeit gab es in Bulgarien Christen, die lehrten, dass der Sabbat ein Ruhetag war, an dem keine Arbeit verrichtet werden sollte. Der Streit zwischen Ost und West nahm zu. Die griechischen Priester mussten das Land verlassen. Konstantinopel und Rom hielten ihre jeweiligen Synoden ab, auf denen sie einander verurteilten. In seinem Rundschreiben, in dem der Patriarch von Konstantinopel den Papst verurteilte, wird auch der Sabbat erwähnt: „Allen Bestimmungen entgegen, die in Bulgarien eingeführt wurden, bestimmte der Papst, dass am Sabbat gefastet werden soll.“19
Dieser Streit erreichte im 11. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Ein kleiner Teil dieses Streites hing auch mit dem Sabbat zusammen. Es ging nämlich darum, ob am Sabbat gefastet werden sollte oder nicht. Das Konzil von Konstantinopel hatte schon lange zuvor, im Jahre 691, in einem Beschluss verboten, am Sabbat zu fasten, weil er als Festtag verstanden wurde. Nach dem großen Schisma (Spaltung) im Jahr 1054 n. Chr. schrieb der Patriarch von Konstantinopel einen Brief an den Patriarchen von Antiochien (ehemals Syrien, heute Türkei), in dem er auch die Sabbatfrage berührte. Sein Bekenntnis zum Sabbat: „Es wurde uns befohlen, dass wir den Sabbat in gleicher Weise ehren sollen wie [den Sonntag], den [Tag] des Herrn, dass wir ihn halten und nicht an ihm arbeiten sollen.“20 Auch dies ist ein deutliches Zeugnis aus dem Hohen Mittelalter, dass das Licht des Sabbats immer noch in den Herzen vieler Menschen brannte.
Waldenser feierten den Sabbat
In dem bekannten Buch von Ellen G. White, Der große Kampf, steht im Kapitel über die Waldenser, dass einige Waldenser den Sabbat feierten. Die Richtigkeit dieser Aussage wird oftmals bestritten, da die Waldenser heute den Sonntag feiern. Es gibt jedoch einige deutliche Beweise, dass in der Tat einige Waldenser in der Vorzeit den Sabbat ehrten, indem sie z.B. nicht fasteten. 21
Die lange Geschichte des Sabbats in Äthiopien
Die Sabbatfeier in Äthiopien reicht weit in die Geschichte zurück, ja sogar bis in die vorchristliche Zeit. Im Alten Testament erfahren wir vom Staatsbesuch der Königin von Saba, das Äthiopien zugeordnet wird, beim König Salomo. Bei diesem Besuch hatte die Königin reichlich Gelegenheit, die Sabbatfeier persönlich zu erleben. Auch im Neuen Testament (Apg 8, 26-40) finden wir einen sehr interessanten Bericht, der auf eine Verbindung zwischen Äthiopien und Israel hinweist. Ein hochrangiger Beamter, „Kämmerer und Mächtiger der Könige von Äthiopien“, ist zu Besuch in Jerusalem, um „anzubeten“. Da er auch Schriftrollen des Alten Testamentes bei sich trägt, muss man davon ausgehen, dass er dem Judentum angehörte oder ein „Gottesfürchtiger“ war, der sich mit dem Glauben, der Sabbatfeier und vielen anderen Gebräuchen der Juden identifizierte. Der Evangelist Philippus erzählt ihm von Christus, sodass er sogar bereit ist, die christliche Taufe zu empfangen. Er war vermutlich der erste Christ, der nach Äthiopien zurückkehrte. Wir wissen nicht viel darüber, wie das Christentum sonst nach Äthiopien gekommen sein könnte. Aber wir finden sehr früh eine Übersetzung des Gemeindehandbuches „Didaskalia“ in die äthiopische Sprache. Das Datum dieses Gemeindehandbuches wird um 250 n. Chr. angesetzt. Hier einige Passagen aus der äthiopischen Übersetzung in Bezug auf den Sabbat. Aus Kapitel 29: „Wir sollen am Sabbat nicht fasten, mit Ausnahme des einen Sabbats in der Passionswoche. [...] Aber an den anderen Sabbattagen lasst uns dem Herrn die Ehre geben, denn er ruhte von seiner Arbeit am Sabbat.“ Aus Kapitel 30: „und ehret den Sabbat, indem ihr euch in den Kirchen zur Freude und Fröhlichkeit versammelt.“ Aus Kapitel 38: „O, allmächtiger Gott, der [...] den Sabbat eingesetzt und an ihm geruht hat nach allen seinen Werken und uns befohlen hat, [an ihm] von allen unseren Werken der Hände zu ruhen [...] und befahl ihnen am Sabbattag zu ruhen, sodass sie in Demut Danksagung darbringen und von allem Bösen beschützt seien. [...] Deshalb hat er uns befohlen, an jedem Sabbat zu ruhen, denn unser Herr ruhte am Sabbat von allen seinen Werken.“ In ähnlicher Weise wird der Sonntag als Tag der Auferstehung Christi erwähnt. Zudem war auch in Äthiopien die Tradition bekannt, dass Sklaven und Bedienstete nur fünf Tage arbeiten sollten, um am Sabbat und Sonntag auszuruhen. Dieses Verständnis hielt sich in Äthiopien über Jahrhunderte. Dabei gab es Zeiten des Abfalls und immer wieder auch Perioden der Sabbatreform.
Jesuiten bestrafen Sabbatfeier in Äthiopien – Arbeitszwang am Sabbat
Mit der Zeit veränderte sich die politische Lage in Äthiopien. Mit dem Machteinfluss der Portugiesen kam Mitte des 16. Jahrhunderts auch die Herrschaft der römischen Kirche ins Land. Papst Julius III (1550 bis 1555 n. Chr.) setzte ein neues Oberhaupt, einen Patriarchen, über die Kirche des Landes ein. Zuvor war das Oberhaupt immer vom Patriarchen von Alexandrien (im Norden Ägyptens) eingesetzt worden. Um dessen Ankunft vorzubereiten, sandte der Papst umgehend drei Jesuiten ins Land. Der Jesuitenorden, dessen Mitglieder dem Papst gegenüber absoluten Gehorsam schworen, wurde von Ignatius von Loyola 1534 gegründet und 1540 vom Papst anerkannt. Nicht lange danach folgten ein Bischof und weitere Priester desselben Ordens. Man fand schnell heraus, dass die äthiopische Kirche verschiedene Traditionen aufrecht erhielt, die als „jüdisch“ eingestuft wurden, wozu auch die Sabbatfeier gehörte. So begann ein erbitterter Kampf zwischen der Kirche von Rom und der traditionellen äthiopischen Kirche. Rom verlangte, dass die Sabbatfeier und andere Glaubenspunkte aufgegeben werden müssten und forderte völlige Unterordnung unter die römische Kirche. Ein äthiopischer König, Za Dengel (1603 bis 1604), stand so unter Druck, dass er der Überredungskunst der Jesuiten nachgab und zum römisch-katholischen Glauben überging. Was kurz darauf folgte, war ein Erlass gegen den Sabbat: „Niemand soll den Sabbat als heiligen Tag feiern.“
Dies löste heftige Gegenreaktionen aus, doch letztlich gewann der „Anti-Sabbat-Flügel“. Der Erlass gegen den Sabbat wurde daraufhin nochmals wiederholt, und obendrein musste nun am Sabbat gearbeitet werden; Übertretern drohten Strafen. Dieses 1620 erlassene Gesetz verbot nicht nur die Sabbatfeier, sondern zwang die Menschen sogar dazu, an Gottes heiligem Tag zu arbeiten – dem Tag, dem die Äthiopier über tausend Jahre lang großen Respekt erwiesen hatten. Ein bewaffneter Aufstand gegen die „Blasphemie des Sabbats“ entstand, doch er wurde niedergeschlagen. Im Jahre 1623 kamen mehrere Priester des Jesuitenordens nach Äthiopien, um den König, seine Söhne und leitende Beamte und Priester der Kirche zu überreden, dem Papst in Rom Gehorsam zu schwören. Dies geschah dann auch im folgenden Jahr, 1624. Um Abscheu gegen den Sabbat zu zeigen, wurde dieser Tag als Fastentag ausgerufen.
Doch das äthiopische Volk ließ sich nicht so einfach unterkriegen. Für eine kurze Zeit wendete sich das Blatt der Geschichte unter Kaiser Fasilides (1632 bis 1667 n. Chr.). Die Jesuiten wurden 1633 aus dem Land verbannt, katholische Bücher verbrannt und Priester katholischer Observanz wurden erhängt. Dies ist eine kurze Zusammenfassung einer dramatischen Geschichte, wie der Sabbat in Äthiopien überlebte. Gleichzeitig bezeugt diese Geschichte die antichristliche Machtentfaltung der Kirche von Rom, die die Sabbatfeier mit aller Macht zu unterdrücken versuchte und es auch in der Folgezeit tat.22
Zur Zeit der Reformation
Leider können wir in diesem Artikel nicht die Frage aufgreifen, warum große Reformatoren wie Luther, Zwingli und Calvin nicht den Sabbat feierten. Frühe Adventisten glaubten, dass einer von Luthers Mitarbeitern, Andreas Karlstadt, den Sabbat hielt. Nach einer näheren Analyse seiner Schrift, die erhalten geblieben ist, wird jedoch deutlich, dass auch er nicht am buchstäblichen Sabbat interessiert war, sondern an dem „inneren Sabbat“, d.h. der inneren Ruhe, die der Heiligung dienen sollte.
Sabbatfeiernde Christen werden grausam umgebracht
Dennoch gab es unter der Wiedertäufer-Bewegung zur Zeit der Reformation auch Personen, die nach dem Prinzip der Reformation „sola scriptura“ (allein die Schrift) zur Sabbatfeier zurückfanden. Dazu gehörten zwei Reformatoren, Andreas Fischer und Oswald Glait, ehemalige Priester der katholischen Kirche, die wir als sabbatfeiernde Christen, also als unsere direkten Vorfahren zur Zeit der Reformation, betrachten können. Sie schrieben Bücher über den Sabbat, die leider nicht erhalten sind. Aber wir haben Gegenschriften aus dieser Zeit, die gegen den Sabbat gerichtet waren. Die Sabbatbücher wurden sicherlich alle, zusammen mit vielen Bekennern, auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Fischer und Glait verbreiteten die Sabbatbotschaft besonders in Böhmen, Mähren und Schlesien. Leider mussten auch sie auf grausamste Weise ihr Leben aus Treue zur biblischen Wahrheit lassen. Andreas Fischer wurde gefangen genommen und auf das Schloss Horka (Mähren) verschleppt. Dort stürzte man ihn über die Festungsmauer in den Abgrund (um 1540 n. Chr.). Oswald Glait starb durch Ertränken in der Donau, nachdem er ein Jahr und sechs Wochen im Wiener Gefängnis geschmachtet hatte (1546).
Einigen „Sektenlisten“ der römischen Kirche nach zu urteilen, muss die Sabbatfeier zur Zeit der Reformation doch recht verbreitet gewesen sein. Diese Listen stammen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts (1564 bis 1600). Diejenigen, die den Sabbat feierten – sogenannte „Sabbatarier“ – werden auf einer der Listen nach Lutheranern und Calvinisten an dritter Stelle genannt. In zwei weiteren Listen, auf denen verschiedene Wiedertäufer-Gruppen („Sekten“ genannt) verzeichnet sind, tauchen die Sabbatarier an vierter Stelle auf.23
Nicht mehr aufzuhalten
Einige Wiedertäufer versuchten in England in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Verfolgungen auf dem europäischen Kontinent zu entgehen. So fand die Täufer-Bewegung (Baptisten) in England raschen Anklang. Auch die Sabbatfeier tauchte in England auf und breitete sich im 17. Jahrhundert sehr schnell und umfassend aus.24 Ein regelrechter Streit um den Ruhetag entbrannte. Da gab es die größte Gruppe, die einen freien Sonntag ohne viele Begrenzungen feiern wollte. Dem stellten sich die sogenannten Puritaner entgegen, die einen sehr strikten Sonntag, den sie fälschlicherweise durchweg „Sabbat“ nannten, einführen wollten – auch durch strenge Gesetzgebung. Die dritte Gruppe bildeten die Siebenten-Tags-Baptisten (hinsichtlich der Sabbatfeier die direkten Vorfahren der Siebenten-Tags-Adventisten), die sich für die christliche Feier des biblischen Sabbats einsetzten. Eine große Menge an Literatur wurde zu diesem Thema herausgegeben, die heute noch allen zugänglich ist.25
Ein Mitglied der Siebenten-Tags-Baptisten-Gemeinde in London (Bell Lane Church), Stephen Mumford, wanderte nach Amerika aus und erreichte 1664 Rhode Island. Dort teilte er seine Überzeugungen mit anderen Baptisten und im Jahr 1671 wurde die erste Gemeinde der Siebenten-Tags-Baptisten in Newport (Rhode Island) gegründet. Von dort verbreitete sich die Sabbatfeier unter den Christen in der gesamten „Neuen Welt“ aus.
Adventisten fangen an, den Sabbat zu feiern
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte Amerika eine große Erweckung: „Die Zweite große Erweckung“ (The Second Great Awakening). In den dreißiger und Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde diese Erweckung auch unter dem Namen „Die Erweckung des zweiten Kommens“ (The Second Coming Awakening) bekannt. Die Anhänger dieser Bewegung wurden nach dem Initiator, William Miller (1792-1849), als „Milleriten“ oder „Adventisten“ (Advent bedeutet „Ankunft“ oder „Wiederkunft“) bezeichnet. Unter den Anhängern Millers gab es auch einige Siebenten-Tags-Baptisten, die Sabbattraktate verteilten und ihr persönliches Zeugnis in Bezug auf den Sabbat ablegten. Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes erkannten mehr und mehr Adventisten die Bedeutung der Sabbatheiligung. Sie gaben bald selbst kleine Traktate über dieses Thema heraus, schrieben Bücher darüber und veröffentlichten viele Artikel in ihren Zeitschriften.26
Trotz Widerstand gegen den Sabbat
Als das Sabbatlicht unter den Adventisten entfacht war, konnte es niemand mehr löschen. Trotz großem Widerstand von anderen Kirchen, trotz Verfolgung und Bestrafung unter totalitären Diktaturen (z.B. unter Hitlers antichristlichem und antisemitischem Regime und der Zeit des marxistisch-leninistischen Kommunismus) wuchs die Bewegung der göttlichen Sabbatfeier und schloss mit den Jahren den gesamten Erdkreis ein. Wenn wir Kinder und ungetaufte Personen mitzählen, feiern Woche für Woche etwa 75.000.000 Menschen und mehr den Tag, den Gott am Anfang aller Tage gesegnet und geheiligt hat.
Leider konnten in diesem kurzen Artikel nur einige Zeugnisse für den Sabbat erwähnt werden. Es wurde nichts über die Sabbatbewegung in Siebenbürgen im 16. Jahrhundert geschrieben, die einen solch starken Eindruck in deren Geschichte machte, dass sie heute noch in einer Broschüre für Touristen erwähnt wird.27 Wir konnten nichts über die Sabbatbewegung in den nordischen Ländern schreiben, die in ihren Anfängen von den lutherischen Volkskirchen als „jüdische Irrlehre“ verteufelt wurde. Leider war es auch nicht möglich, die vielen Glaubenszeugen aufzuzählen, die für den Sabbat ins Gefängnis gingen und schließlich für ihren Glauben starben.28
Trotz Religionsfreiheit laut nationaler oder internationaler Gesetzgebung, gibt es weltweit immer wieder Schwierigkeiten und Diskrimination, wenn es darum geht, den Sabbat zu feiern. Als ehemaliger Leiter der Abteilung für Religionsfreiheit der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Dänemark könnte ich einige Beispiele nennen, bei denen Schüler, Studenten und andere Fachkräfte benachteiligt werden, weil sie den Sabbat, den Tag des Herrn, feiern. Daher ist es mein Wunsch, dass noch viele Menschen die „Gabe der Ruhe“ empfangen möchten und die „Schönheit des Ruhetages“ erkennen.29
Quellen:
1 Frei aus der englischen Dokumentar DVD Serie (4. DVD) „The Seventh Day“ übersetzt. Herausgeber: LLT Productions. Diese DVD Serie ist ins Deutsche übertragen „Der siebente Tag“ und kann über die „Stimme der Hoffnung“ bezogen werden.
2 Neueste Studien haben gezeigt, dass die „Subbotniki“ an einen dreieinigen Gott geglaubt haben.Siehe dazu die Andrews University Dissertation von Oleg Zhigankow, The Issue of Antitrininarianism in the Fifteenth-Century Novogrod-Moscow Movement: Analysis and Evaluation, VDM Verlag Dr. Müller, 2009.
3 Siehe dazu die Dissertation von Gaston H. Halsberghe, The Cult of Sol Invictus, Leiden 1972.
4 Siehe z.B.; Sammuele Bacchiocchi, Anti-Judaism and the Origin of Sunday, Rom 1975.
5 Willy Rordorf, Sabbat und Sonntag in der alten Kirche, Zürich 1972.
6 Kenneth Strand, Red., The Sabbath in Scripture and History, Washington DC/Hagerstown, MD 1082.
7 Herausgegeben in Hamburg 1912.
8 Richard Müller, Adventisten – Sabbat – Reformation, Geht das Ruhetagsverständnis der Adventisten bis zur Zeit der Reformation zurück?, Lund 1979. 2. Revidierte Auflag von 2014 ist wieder erhältlich für 13,-Euro. Siehe Fußnote 4.
9 Siehe: William M. Jones, A Chart of the Week: Showing the Unchanged Order of the Days and the true Position of the Sabbath, as proved by this combined testimony of Ancient and Modern Languages. Diese Übersichtskarte oder Liste der Sprachen und Namen der Woche ist immer noch erhältlich von LLT Productions, Box205, Angwin, CA94508, USA. Oder Online: www.lltproductions.com/
10 Ich habe Banner mit der Aufschrift ”Death over Israel” (Tod über Israel) auf meiner Reise durch Iran im Herbst 2016 des Öfteren fotografiert.
11 Dies gilt übrigens auch, wenn es um den ersten Tag der Woche geht, den man „Herrentag“ nennt.
12 Adversus haeresis, iV, Zitiert Von Rordorf, S. 47,49.
13 Apostolische Konstitution, Buch 2, LIX. Zitiert von: Rordorf, S. 101.
14 Apostolische Konstitution, Buch 2, XXXVI. Zitiert von: Frank Yost, History of the Sabbath and the Sunday (Course Outline, 1945), S. 15.
15 Apostolische Konstitution, Buch 7, XXIII, Zitiert von: Rordorf, S. 101.
16 Apostolische Konstitution, Buch 8, LXIV. Zitiert von; Rordorf, S. 101.
17 Konzil von Laodizea, Kanon 29. Zitiert von: Rordorf, S. 89.
18 Siehe: Sokrates, Kirchengeschichte, Buch 5, XXII. Zitiert von: Rordorf, S. 125.
Siehe: Sozomen, Kirchengeschichte, Buch 7, IXX. Zitiert von: Rordorf, S. 152.
19 Siehe: Conradi, S. 567-468.
20 Siehe Original Quellenangabe in: Richard Müller, Waldensian Heritage: Lux Lucet in Tenebris, Børge Schantz, Reindar Bruinsma (Red.), Exploring the Frontiers of Faith, Lüneburg 2009, S. 133.
21 Siehe: Richard Müller, Die vergessene Zeit, S. 199 – 201. Siehe auch mein Kapitel über die Waldenser: „The Waldensian Heritage“, Seite 121 – 138.
22 Siehe Originalquellen bei Werner K. Vymeister, ”The Sabbath in Egypt and Ethiopia”, Kenneth Strand, Red., S. 169 – 189. Siehe auch: Ernst Hammerschmidt, Stellung und Bedeutung des Sabbats in Äthiopien, Stuttgart 1963.
23 Gerhard Hasel, ”Sabbatarian Anabaptists of the Sixteenth Century”. Andrews University Seminary Studies, Band V, Nr. 2, 1967, S. 101 – 103.
24 Siehe: Bryan Ball,The Seventh-day Men: Sabbatarians and Sabbatarianism in England and Wales, 1600-1800, Oxford und New York, 1994.
25 Siehe dazu: Richard Müller, Adventisten – Sabbat – Reformation. Siehe besonders den zweiten Teil meiner Abhandlung: Das Sabbatverständnis der Siebenten Tags Baptisten in England im 17. Jahrhundert, S. 143 – 188.
26 Siehe dazu: Richard Müller, Adventisten – Sabbat – Reformation. Siehe besonders den dritten Teil seiner Abhandlung: Das Sabbatverständnis der Siebenten-Tags-Adventisten, S. 189 – 245.
27 Birgitta Gabriela Hannover Moser, Siebenbürger Reiseführer – Rund um Kronstadt, Schässburg und Hermannstadt, Berlin 2015, S. 436 – 47.
28 Siehe z.B. das Buch von Erich Th. Laufersweiler, Im Schatten seiner Hand. Erlebnisse eines jungen Christen in der Armee der CSSR, Heidelberg 2012. Siehe besonders die Seiten 165 – 188, in denen viele Namen erwähnt werden, die für ihren Glauben große Leiden ertragen mussten.
29 Joe Liebermann, The Gift of Rest – Rediscovering the Beauty of the Day of Rest, New York, 2011.