Wie wär´s mit Nachschlag?

Nächstenliebe
Wie wär´s mit Nachschlag?

Suppenküche in Ludwigsburg immer beliebter

Es ist der 24. Dezember 2017, Heiligabend: ein Sonntagmorgen, an dem auf den Straßen in Ludwigsburg wenig los ist. Nein – nicht ganz, denn die fleißigen Hände von 25 ehrenamtlichen Helfern sind bereits dabei, das inzwischen stadtbekannte Mittagessen der Suppenküche „Nachschlag“ in den Räumen der Adventgemeinde vorzubereiten. Gerade für den vierten Sonntag im Dezember haben sich die Geschwister für ihre Gäste etwas Besonderes überlegt: ein festliches Menü mit buntem Salatteller, vegetarisch Geschnetzeltem an Wildreis sowie einer dampfenden Apfeltasche mit Vanilleeis. Bei jedem Gang wird gefragt, ob es noch ein Nachschlag sein darf. Denn jeder der knapp vierzig Gäste soll sich richtig satt essen können!

Für Walter*, Hartz-IV-Empfänger, ist die Suppenküche jeden vierten Sonntag im Monat mittlerweile ein fester Bestandteil seines Speiseplans. Nur selten genießt er eine warme Mahlzeit und ist am Monatsende dankbar für das Angebot des AWW-Helferkreises in Ludwigsburg. Er wohnt in einer benachbarten Stadt und weil er sich die S-Bahn-Fahrkarte nicht leisten kann, läuft er die 18 Kilometer gerne für dieses Mittagsmahl und genießt im warmen Gemeindesaal die Gemeinschaft und Gespräche.

An jenem Weihnachtsmorgen hat das Team der Suppenküche noch ein dreißigminütiges Programm vorbereitet. Neben gemeinsam gesungenen Liedern sorgen verschiedene Live-Musiker an Klavier und Cello für eine gemütliche Atmosphäre. In einer kurzen Andacht erfahren die Besucher etwas über das größte Geschenk Gottes an uns: Jesus Christus. Zur Erinnerung an diesen besonderen Tag erhalten alle Gäste neben einem leuchtenden Stern eine Präsenttüte mit Kleinigkeiten für „Leib und Seele“.

Nach Jesu Vorbild

Mit der Suppenküche wollen wir Menschen in Not helfen, ihnen in Würde begegnen und sie nach Jesu Vorbild beschenken. Das heißt für uns als Helferteam, nicht nur eine Suppe auszuschöpfen, sondern aus frischen Zutaten ein schmackhaftes, fleischloses Drei-Gänge-Menü zuzubereiten und von freundlichen Helfern am Tisch zu servieren. Wir wollen unsere Gäste auch nicht in Verlegenheit bringen, weil sie sich dieses Menü schenken lassen müssen. Deshalb zahlen die Besucher pro Mahlzeit einen Obolus von einem Euro.

Frank und seine Familie sind über Freunde auf die Suppenküche „Nachschlag“ aufmerksam geworden und bereits zum dritten Mal dabei. Sie genießen die Stimmung, das Essen und die Freundlichkeit, mit der die Gäste empfangen werden. Gleichzeitig freuen sie sich über die Verwertung der Lebensmittel, die hierfür von der örtlichen Ludwigstafel und dem Edeka Markt Mamsch in Aldingen gespendet werden.

Um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, sitzt nach Möglichkeit an jedem Tisch jemand aus unserem Team. Interessant für uns ist, dass die Gäste beim nächsten Mal nach ihren Kontaktpersonen Ausschau halten und diese bereits erwarten. Auch unsere Helfer schätzen die gemeinsame Zeit. Rolf, einer von unseren Salatwäschern, erzählte mir neulich: „Ich bin das vierte Mal dabei und es macht mir wirklich Spaß, im Team zusammenzuarbeiten, aber auch die Gäste kennenzulernen und über Probleme zu reden – füreinander da zu sein.“

Von der Idee zum Helferkreis


Angefangen hatte alles im Mai 2016, als einige Gemeindeglieder in Ludwigsburg den Wunsch äußerten, den Bedürftigen ihrer Stadt und ankommenden Flüchtlingen ganz praktisch zu helfen. So wurde zunächst der städtische Arbeitskreis Asyl besucht. Schnell war klar, dass ein Helferkreis gegründet werden musste, um nachhaltige Hilfe anzubieten. Doch wie sollten wir zu einem großen und tatkräftigen Helferkreis werden? Immer wieder informierten wir in den darauffolgenden Wochen und Monaten die Geschwister jeden Sabbat im Gottesdienst über soziale Projekte (z.B. von AWW oder ADRA) in anderen Gemeinden. Dies gipfelte am 21. Januar 2017 in einem Projektsabbat zum Thema: „Nächstenliebe – ganz praktisch!“ Am Nachmittag erarbeiteten die Geschwister in sechs Workshops, wie wir als Adventgemeinde für die Stadt und deren Bürger etwas Positives und Nachhaltiges tun könnten. Aus der Liste der Projektvorschläge fiel die Entscheidung schließlich mehrheitlich auf die Eröffnung einer Suppenküche.

Fünf Monate der darauffolgenden Planung konfrontierten uns mit unerwarteten Herausforderungen: Gespräche mit dem Wirtschaftskontrolldienst (WKD), Entwürfe von Flyern und Plakaten, ein Finanzierungsplan, der Aufbau von Kontakten zur Zeitung und anderen sozialen Einrichtungen, und und und ... Ein regelmäßig feststehender Termin musste gefunden und die Auflagen des WKD umgesetzt werden. Da es sich bei einer Suppenküche um ein (vordergründig) soziales Projekt handelt, waren wir uns einig, dass wir es unter dem Banner eines AWW-Helferkreises durchführen wollten. Außerdem musste ein Name her, der einprägsam und zugleich Motto ist: die Suppenküche „Nachschlag“ war geboren.

In den Wochen vor der Eröffnung verteilten Helfer Werbeplakate und Flyer in diversen sozialen Einrichtungen und städtischen Ämtern. Zudem wurden auf der Straße gezielt Obdachlose, aber auch Hartz-IV-Empfänger, ältere alleinstehende Menschen, Flüchtlinge oder Menschen in sozialen Notlagen zum ersten Drei-Gänge-Menü der Suppenküche eingeladen.

Gott öffnet Türen


Von Beginn an war es unser Wunsch, dass die Suppenküche durch Spenden zu einer sich selbst tragenden Einrichtung wird. Die AWW-Kasse sollte nur die ersten beiden Bewirtungen tragen – und bereits da stellten wir fest, dass die notwendigen Ausgaben viel höher als geplant ausfielen. So legte unser kleiner Kreis diese Herausforderung Gott im Gebet vor und bat ihn um Weisheit und Führung für die weiteren Planungen.

Trotz der unsicheren finanziellen Lage war unser Werbeteam weiter aktiv unterwegs. Dabei wurde auch dem örtlichen Tafelladen das Projekt vorgestellt und ein Plakat ausgehängt. Als wir der Geschäftsführerin unser Konzept vorstellten, fragte sie uns direkt, ob die Suppenküche Nahrungsmittelspenden gebrauchen könne. Wir hätten unseren Mittagstisch ja sonntags; freitags nach Ladenschluss seien einige ihrer Lebensmittel abzugeben, da diese sich montags nicht mehr zur Weitergabe eignen würden. Sie notierte sich unseren wiederkehrenden Termin – wir sollten künftig immer am Freitag davor vorbeikommen. Gott hatte unsere mutigen Schritte ins Ungewisse gesegnet!

Doch es sollte noch besser kommen. Durch die Pfadfinderarbeit in Ludwigsburg vor 25 Jahren waren auch Kontakte zu Familien außerhalb der Gemeinde entstanden. Zu einer der Familien pflegen wir selbst bis heute eine enge Freundschaft. Da der Mann der ehemaligen Pfadfinderin vor geraumer Zeit einen Edeka-Lebensmittelmarkt übernommen hat, erzählte ich bei einem Treffen von dem neuen Projekt unserer Gemeinde. Vielleicht bestünde ja die Möglichkeit, Waren mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum und nicht mehr ganz so schönes Obst und Gemüse samstagabends für die Suppenküche zu bekommen?

Noch bevor meine Bitte zu Ende ausgesprochen war, erwiderten unsere Freunde: „Du musst nicht weiter erzählen – das ist doch ganz klar, dass wir euch dabei unterstützen.“ Mich sprachlos zu machen, ist nicht einfach, doch bereits beim ersten Abholtermin blieb meiner Frau und mir die Spucke weg: Mit dieser Menge, Vielfalt und Qualität hatten wir nicht gerechnet!

Dass Gott über die Maßen segnet, haben wir seither immer wieder erlebt. Nachdem die Suppenküche am 25. Juni 2017 mit drei Gästen gestartet ist, hat die Aktion an Bekanntheit gewonnen. Mittlerweile kommen bis zu 48 Besucher! Aufgrund der vielen Nachschläge kochen wir jedoch für knapp achtzig Personen. Die Spenden von Tafel und Supermarkt reichen nicht nur für die Zubereitung des Mittagessens, wir können den Gästen auch noch einige frische Lebensmittel mitgeben.

Schüler-Überraschung

Anfang Dezember machten wir uns als Team gerade Gedanken über die Finanzierung von einigen dringend benötigten Anschaffungen für die Suppenküche, als kurz darauf eine E-Mail reinflatterte. Die Schülersprecherin eines großen Gymnasiums einer Nachbarstadt fragte an, ob unsere Suppenküche zu Weihnachten an selbstgebackenen Plätzchen Interesse hätte. Die Schule führte in der Vorweihnachtszeit neben ihrer alljährlichen Geldspende-Aktion ein Sozialprojekt durch, bei der die Schüler Päckchen mit selbstgebackenen Plätzchen mitbrachten. Nachdem wir die Anfrage bejaht hatten, erhielten wir einige Tage später von der Schule erneut eine Nachricht: „Wir würden Sie gerne noch mehr unterstützen und haben in unserem Vorstand beschlossen, dass wir die diesjährigen Geldspenden der Schüler, sofern Sie das möchten, an Sie weiterleiten wollen. Aufgrund der Plätzchenaktion wissen wir nicht, ob bzw. wie viel die Schüler spenden. Wir würden aber in jedem Fall das Geld an Sie überweisen. Ist das für Sie in Ordnung?“ Was für eine Frage ...

Am 20. Dezember sollte die Übergabe der Plätzchen in der Schule stattfinden. Als Vertreter der Suppenküche wurde ich von zwei Lehrern begrüßt, als auf einmal noch eine Redakteurin der örtlichen Presse von der Übergabe der zwei Kartons mit Gebäcktüten ein Foto für die Zeitung machen wollte. Mit Tränen in den Augen nahm ich den Riesenscheck vom Verbindungslehrer in die Hände. 850 Euro – so viel hatten die Schüler für unser Projekt gespendet!

Immer noch beeindruckt von der Großzügigkeit der Schüler kaufte ich am Freitagmorgen vor Heiligabend spontan hundert Duschgels für unsere Weihnachts-Präsenttüten. Einen Sponsor dafür gab es noch nicht ... Am Abend, als ich gerade an der Erstellung einer Präsentation für die Gemeinde mit den Erfahrungen der letzten Tage bastelte, entdeckte ich auf einmal eine Nachricht in meinem Postfach: Ein Zeitungsleser hatte den Bericht über die Schulaktion und die Spende an die Suppenküche „Nachschlag“ gelesen und fragte nach der Kontoverbindung, um ebenfalls einen Betrag zu überweisen.

Eine Lücke schließen


Durch den Kontakt zur Ludwigsburger Zeitung hat sich außerdem die Möglichkeit ergeben, an den Tagen zuvor auf die Suppenküche „Nachschlag“ hinzuweisen sowie die Leser durch einen Eintrag bei den Veranstaltungshinweisen auf den Mittagstisch von 12.00 bis 13.30 Uhr aufmerksam zu machen. Diese kostenfreie Werbung ist für uns ein echtes Geschenk!

Darüber hinaus stehen wir mit der Diakonie Ludwigsburg, der Arbeiterwohlfahrt und der Wohnungslosenhilfe in Kontakt. Dass wir für andere Menschen in unserer Umgebung ein offenes Ohr und ein gutes Wort haben können, ist für uns selbst ein großer Segen. Soziale Mittagstische sind an Wochenenden selten und genau damit wollen wir eine Lücke schließen.

„Ich bin das erste Mal hier“, erzählt uns Carsten nach dem Mittagessen an Heiligabend. „Ich habe den Veranstaltungshinweis in der Zeitung gesehen und mag Suppen – also bin ich gekommen.“ Auf die Frage ob ihm das Menü geschmeckt hat, auch ohne Suppe, antwortet er mit einem Schmunzeln im Gesicht: „Naja, nur eine Suppe war es ja nicht!“

*Name wurde von der Redaktion geändert.

Für weitere Informationen wie etwa über die Möglichkeit zur Spende können sich Interessierte hier melden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

 
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AWW-Helferkreise werden mit Zustimmung der betreffenden Ortsgemeinde und in Abstimmung mit der AWW-Landesstelle gegründet.

Empfohlen wird eine Konzeptbeschreibung, in der das Ziel des Helferkreises sowie Leitungsperson, Helfer und Kassenwart festgehalten werden.

Nachdem die Ortsgemeinde dem Antrag zugestimmt hat, prüft die AWW-Landesstelle die konzeptionellen, personellen, finanziellen und räumlichen Rahmenbedingungen. Sie gibt außerdem Hinweise und Hilfestellungen und stattet den Helferkreis mit nötigen Arbeitsmaterialien aus.

Weitere Informationen zur Gründung eines AWW-Helferkreises:
Webseite: www.aww-bw.de
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