Gebet
Wachstum durch Gebet
Inspirierende Erfahrungen aus dem Leben von Joseph Kidder – Teil 2
Nachdem Joseph Kidder sein Leben Jesus Christus übergeben hatte (s. Ausgabe 2/2017), entschied er sich, sein Heimatland Irak zu verlassen. In seinem zwanzigjährigen Dienst als Pastor in verschiedenen nordamerikanischen Gemeinden lernte er das Gebet lieben. Er erlebte, wie Gott auf wunderbare Weise seine Gebete erhörte und eine Erweckung begann. Im folgenden Interview erzählt er, wie seine Gemeinde zu einem Ort wurde, an dem Menschen sich gerne treffen, um Gott anzubeten.
Bruder Kidder, was passierte, nachdem du aufgefordert wurdest, den Militärdienst anzutreten und in den Krieg gegen Israel zu ziehen?
Stimmt, ich muss dir noch erzählen, wie es dazu kam, dass ich heute überhaupt hier sitze! Denn nur weil ich mein Leben Jesus übergeben hatte, wurde ich vor dem sicheren Tod bewahrt. Die Familie, bei der ich wohnte, wollte mir dabei helfen, den Militärdienst nicht antreten zu müssen. Ich hatte ja wie gesagt vor, auf das adventistische Middle East College in Beirut (Libanon) zu gehen. Doch da bereits Krieg zwischen den arabischen Ländern und Israel ausgebrochen war, war es nicht erlaubt, an einer nicht staatlich anerkannten Hochschule studieren. Die Gemeinde in Bagdad hatte seit etwa vierzig Jahren auf vielerlei Weise versucht, die irakischen Behörden dazu zu bewegen, das Middle East College anzuerkennen – doch es klappte einfach nicht. „Wir haben alles ausprobiert“, klagten die Geschwister, „das einzige, was wir noch tun können, ist darum beten – das haben wir bisher nie wirklich versucht.“
So versammelten sich am Freitagabend etwa fünfzig Personen im Keller der Gemeinde. Sie beteten, fasteten und lobten Gott das ganze Wochenende hindurch bis Sonntag. Niemand kann erklären, was danach passierte. Aber am darauffolgenden Dienstag derselben Woche bekamen wir als Gemeinde einen Brief vom Bildungsminister, dass das Middle East College nun staatlich anerkannt war. Ist das nicht großartig? Vierzig Jahre menschlicher Bemühungen scheiterten, doch als wir darum beteten, ermöglichte es Gott! (lacht begeistert) Ich denke, dass wir nicht einmal vierzig Sekunden warten sollten, um für das zu beten, was uns am Herzen liegt!
So begann ich mein Studium am Middle East College. Doch kurz nachdem ich dort angekommen war, brach im Libanon der Bürgerkrieg aus. Da wir das Land verlassen mussten, kam ein Bekannter zu mir und fragte mich, ob ich immer noch Ingenieur werden wollte. Als ich zustimmte, empfahl er mir: „Dann geh doch auf das Walla Walla College“. Zu der Zeit war das Walla Walla College in Washington (USA) die einzige Hochschule für Ingenieurwesen, die unsere Freikirche hatte. Meine Gemeinde betete 13 Monate lang und fastete ein Mal in der Woche für mein Anliegen, bis ich schließlich auf das Walla Walla College gehen konnte. Nach dem Studium arbeitete ich drei Monate lang als Ingenieur und verspürte dann den Ruf, Pastor zu werden. Ich studierte Theologie, arbeitete zwanzig Jahre lang als Pastor und begann schließlich, an der Andrews Universität in Berrien Springs (USA) zu unterrichten. Das mache ich nun seit 16 Jahren.
Bist du seitdem jemals wieder in dein Heimatland zurückgekehrt?
Nein. Vor etwa zwölf Jahren brach Krieg zwischen dem Irak und den USA aus. Eine meiner Cousinen, die ebenfalls aus dem Irak ausgewandert war, flog vor etwa neun Jahren rüber und verbrachte dort drei Monate. Als sie zurückkam und wir uns trafen, berichtete sie mir: „Du wirst es nicht glauben: deine Mutter geht jetzt in die Adventgemeinde. Sie lobt Gott jeden Tag für deine Treue damals und den Sabbat.“ „Was?“, rief ich überrascht. „Ja, sie studiert jetzt die Bibel mit deinem Cousin und will Adventistin werden.“ Sie erzählte weiter: „Kurz nachdem du das Land verlassen hattest, brach Krieg zwischen dem Irak und Iran aus und dauerte zehn Jahre. Eine Million Menschen starben dabei. Dann gab es einen Krieg gegen Kuwait und drei Kriege gegen die USA. Dabei starben eine weitere Million Menschen. Aber du bist am Leben!“ Sie hatte Recht ... Ich hatte dreißig Jahre lang nie darüber nachgedacht, dass ich heute am Leben bin, weil ich mich entschieden hatte, Jesus nachzufolgen. Wenn ich im Irak geblieben wäre, hätte man mich als Soldat eingezogen, und wahrscheinlich wäre ich in einem dieser Kriege gestorben. Doch Gott verschonte mein Leben. Meine Mutter wurde übrigens vor acht Jahren getauft und starb nur wenige Monate danach. Mein Vater und ich haben uns versöhnt, auch wenn er nie Adventist wurde.
Inwiefern haben diese Erfahrungen, die du im Irak gemacht hast, und deine ganze Lebensgeschichte (s. Ausgabe 2/2017) deine Arbeit als Pastor geprägt?
Diese Erfahrungen halfen mir, mich mehr auf das Gebet zu verlassen. Ich lernte das Gebet in meinem Heimatland kennen, denn die Gemeinde im Irak betet wirklich sehr viel. Es ist dort in der Tat eine Überlebensfrage. Als ich in die Vereinigten Staaten kam, vergaß ich das irgendwie – es rückte in den Hintergrund. Das Leben ist hier einfacher ... Doch mit der Ermutigung meiner Frau nahm ich mir vor, zu einem Mann des Gebets zu werden und mein Zuhause und meine Gemeinde zu einem Bethaus zu machen. In diesem Sinne erinnern mich meine Erfahrungen im Irak immer noch daran, mich mehr auf Gott zu verlassen.
In deinem Buch „... und sie wächst doch!“ ermutigst du die Gemeinden, bestimmte Prinzipien anzuwenden, um Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen. Hast du selbst erlebt, dass diese Prinzipien funktionieren?
Ja, aus eigener Erfahrung und aufgrund der Erfahrungen von 23 anderen Gemeinden in den USA kann ich bezeugen, dass Evangelisation funktioniert, wenn wir bestimmte Prinzipien anwenden. Dazu gehören Spiritualität und Gebet, ein inspirierender Gottesdienst (ob zu Hause oder in der Gemeinde) sowie befähigende und dienende Leiter, die die Gemeindeglieder ermutigen, aus eigener Motivation heraus aktiv zu werden. Ich selbst arbeitete zehn Jahre lang als Pastor und hatte das Ziel, dass meine Gemeinde wächst. Doch alles, was ich ausprobierte – Techniken, Strategien, Bücher, Seminare und vieles mehr – half nicht. Nichts passierte! Im Gegenteil: meine Gemeinde schrumpfte um ein Viertel, von vierzig auf dreißig Glieder. Es war sehr entmutigend ... So beschlossen meine Frau und ich, zu beten und ein Mal in der Woche, immer montags, zu fasten. Das fiel mir am Anfang sehr schwer. Ich schlief beim Beten sogar ein (lacht). Aber ich nahm mir vor, weiterzubeten – egal um welchen Preis. Und irgendwann erfüllte Gott mein Herz so sehr, dass er es veränderte. Ich begann, seine Gegenwart zu spüren – seine Macht, seine Gnade. Es erfüllte mich eine Hoffnung, wie ich sie vorher nie hatte, auch wenn sich in der Gemeinde nichts veränderte. Ein ganzes Jahr lang passierte nichts in meiner Gemeinde trotz meines Gebets. Alle Veränderungen fanden in mir statt. Das erste Mal begann ich, eine starke Verbindung zu Gott zu spüren. Und ich liebte es so sehr, dass ich anfing, das Gebet jeden Tag in der Woche zu praktizieren. Ich machte Gebetsspaziergänge, meine Frau und ich führten intensive Gebetszeiten ein, wir fasteten ein Mal in der Woche, wir gingen in der Nachbarschaft umher und brachten die Menschen vor Gott. Wir meinten es wirklich Ernst und machten das ein ganzes Jahr lang.
Eines Tages predigte ich vor meinen dreißig Gemeindegliedern, doch an diesem Tag saßen noch vier weitere Personen im Saal. Ein junges Ehepaar mit zwei Töchtern. Unsere Gemeinde hatte nie Besucher. Um ehrlich zu sein, war meine Gemeinde so deprimierend, dass ich selbst nicht hingegangen wäre, wenn es nicht als Pastor meine Pflicht gewesen wäre (lacht). Als ich dieses junge Ehepaar fragte, warum sie hier in meine Gemeinde gekommen waren, erzählten sie mir ihre Geschichte. Der Mann hatte einen Vorgesetzten, der ehemaliger Adventist war. Auch wenn dieser selbst nicht mehr in die Gemeinde ging, empfahl er seinem Mitarbeiter: „Wenn ihr jemals in eine Kirche geht, dann geht in die Adventgemeinde!“ (lacht) Eines Tages sagte die junge Frau zu ihrem Mann, sie verspüre das Bedürfnis nach Gott und würde gerne wieder in die (katholische) Kirche gehen. Doch er entgegnete: „Auf gar keinen Fall! Mein Chef hat gesagt: ‚Wenn du in die Kirche gehst, dann geh in die Adventgemeinde.‘“ Also kamen sie in meine Gemeinde, und ein paar Monate später durfte ich sie taufen.
Ich brachte sie nach vorne, um den Geschwistern ihre Geschichte zu erzählen. Doch dann begann ich irgendwie mit meiner eigenen Erfahrung. Ich erzählte, dass ich regelmäßig hier in die Gemeinde kam, um zu beten und dabei einschlief, wie Gott mich veränderte und ich das Gebet lieben gelernt hatte usw. Schließlich sagte ich: „In dieser Gemeinde gab es seit vier Jahren keine Taufe. Das zerriss mir fast das Herz, deshalb hatte ich gebetet, dass Gott mir dieses Jahr eine Taufe schenkt.“ Dann hielt ich inne: „Der Gott dieses ganzen Universums hörte das Gebet eines entmutigten Pastors irgendwo an einem unbedeutenden Ort in Washington. Und er gab mir dieses Ehepaar.“ Es war erstaunlich für mich, dass Gott sich um mich kümmerte und mein Gebet erhört hatte. Nachdem ich das drei Mal betont hatte, kam ein Bruder weinend nach vorne. „Ich habe fünf Kinder, die bereits erwachsen sind, aber nichts mehr von Gott wissen wollen“, schluchzte er. „Wenn Gott deine Gebete beantwortet hat, weiß ich, dass er auch meine Gebete erhören wird. Ich will nicht aufhören zu beten, bis Gott mir meine fünf Kinder zurückgibt.“ Dann wandte er sich an die Gemeinde: „Ich weiß, dass viele von euch Kinder haben, die dem Herrn nicht nachfolgen. Ich möchte, dass wir anfangen, zusammen für sie zu beten.“ Er zitierte Matthäus 21,13: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen“. Zehn Leute kamen nach vorne. Und es begann eine Gebetsbewegung.
Wir fingen an, am Sonntagmorgen zu beten, am Montagmittag, Dienstagabend – jeden Tag der Woche, auch am Sabbat vor und während des Bibelgesprächs, während des Gottesdienstes und danach. Das erste, was passierte, war, dass ein Geist der Harmonie, Liebe und Gnade die Gemeinde erfüllte. Die Gemeinde wurde ein schöner Ort, zu dem Geschwister und Gäste auch heute noch gerne hingehen. Auf einmal kamen immer mehr Leute. Achteinhalb Jahre später war das Gemeindehaus proppevoll: 600 Leute beteten Gott an, und wir gründeten eine neue Gemeinde (lächelt).
Das ist sicher nicht die einzige Erfahrung, die du mit dem Gebet gemacht hast ...
Ich gebe dir noch ein anderes Beispiel, das zeigt, was Gebet bewirken kann. Ich hatte eine Gemeinde mit nur neun Gliedern. Aufgrund von Streitigkeiten hatten viele diese Gemeinde verlassen. Ich versuchte alles, aber nichts funktionierte. Eines Tages rief ich einen Freund an und fragte ihn um Rat. Er sagte: „Übergib diese Gemeinde dem Herrn. Sie gehört nicht dir, sondern Gott. Und bete genauso wie John Knox.“ Kennst du das Gebet von John Knox? Er sagte: „Herr, gib mir Schottland oder ich sterbe.“ Also fing ich an, für meine Gemeinde so zu beten, als ginge es um mein Leben.
Gleichzeitig begann die jüngste Schwester aus der Gemeinde – 81 Jahre alt (schmunzelt) – für ihre 25-jährige Nachbarin zu beten. Diese führte ein sehr weltliches Leben, nahm Drogen, trank Alkohol, hatte Beziehungen mit verschiedenen Männern. Die ganze Stadt kannte sie. Die Schwester aus der Gemeinde hatte sie bisher aufgrund dessen verurteilt, doch nachdem sie anfing, für sie zu beten, begann sie die junge Frau zu lieben. Als ich eine Evangelisation durchführte, kam sie am Freitagabend mit in die Gemeinde. Trotz vieler Werbeflyer und Plakate war niemand sonst gekommen: nur unsere neun Glieder und diese Frau. (lacht) Ich war wirklich entmutigt an dem Tag, sogar ein bisschen wütend auf Gott. Und Gott sagte zu mir: „Sprich nicht über die Wiederkunft, sondern über meine Liebe und Vergebung.“ Beim Aufruf brachte die alte Schwester die junge Frau nach vorne. Ich erklärte ihr das Evangelium und sie übergab ihr Herz Jesus. So gab ich ihr eine Bibel und ermutigte sie, Johannes 1 zu lesen und am nächsten Abend wiederzukommen. Am darauffolgenden Abend passierte ein Wunder: Ich kam am Sabbatabend in die Gemeinde und betete zwei Stunden lang, bevor ich mit der Predigt begann. Dieses Mal saßen meine neun Glieder, die junge Frau und 53 Gäste im Saal. Sie hatte Kapitel 1 im Johannesevangelium gelesen und war so begeistert, dass sie auch Kapitel 2 las und Kapitel 3 und 4. Als sie die Geschichte von der Samariterin am Brunnen fertiggelesen hatte, dachte sie sich: „Wenn diese Frau das tun kann, dann kann ich das auch.“ Also rief sie alle ihre Familienmitglieder und Freunde an, damit sie zu meiner Predigt kamen. 53 von ihnen taten das auch. Am Ende der Evangelisation wurden sie und elf weitere Personen getauft. Durch das Gebet und den Dienst zweier Frauen startete Gott eine Erweckung in der Gemeinde. Nach viereinhalb Jahren saßen zusätzlich zu den neun Gliedern 179 Menschen im Saal.
Ich weiß, dass es funktioniert. Und ich kann dir noch mehr Geschichten erzählen, aber das würde den Rahmen sprengen.
Als ich dein Buch gelesen habe, kam mir die Frage: Wie kann ich diese Dinge ganz praktisch umsetzen? Was ist das Wichtigste, mit dem ich in meiner Gemeinde anfangen kann?
Ich würde sagen, dass jedes Gemeindeglied damit beginnen sollte, sein geistliches Leben zu stärken. Die eigene Beziehung zu Gott, die Liebe zu ihm, das eigene Gebetsleben, die Zeit der Anbetung, das persönliche Studium der Heiligen Schrift. Das ist unerlässlich! Denn wenn wir das in uns tragen, werden wir Freude daran haben, es mit anderen zu teilen. Je begeisterter wir von Gott sind, desto mehr wollen wir all das anderen weitergeben. Denn die Erfahrungen der 23 Gemeinden in meinem Buch haben gezeigt: unsere persönlichen Beziehungen zu Menschen sind der Schlüssel.
Interview mit S. Joseph Kidder vom 29.12.2016, niedergeschrieben, gekürzt und übersetzt von Magdalena Lachmann.
Aufnahmen der Bibelstudientage 2016 mit Joseph Kidder zum Thema „... und sie wächst – durch dich!" finden Interessierte unter: www.bwv.adventisten.de/medien