Schluss mit den Ghettos für Wohlstandschristen

Gemeinde
Schluss mit den Ghettos für Wohlstandschristen

Ein Aufruf zu Erweckung in unseren Gemeinden

Mehr spürbare Liebe und Begeisterung – danach sehnen sich wohl viele Geschwister. Die traurige Wahrheit ist, dass stattdessen in den meisten Adventgemeinden Streit, Stolz und Rechthaberei Einzug gefunden haben. Doch gibt es einen Weg, der uns zurückführt zu unserer eigentlichen Berufung und unsere Gemeinden zu neuem Leben erweckt? Ja, es gibt ihn. Und wir brauchen dafür keine neuen Methoden oder Strategien ...

Noch vor Gottesdienstbeginn ist der Versammlungsraum bis auf den letzten Platz belegt. Keiner will zu spät kommen. Alle freuen sich, Gott zu loben, Gemeinschaft zu erleben, die Bibel zu studieren, miteinander zu beten und gemeinsam für die nächste Woche zu planen, wie die „Gute Nachricht“ in Wort und Tat die Menschen erreichen kann. Jeder Einzelne weiß sich wertgeschätzt, angenommen, ermutigt und Teil eines größeren Ganzen. Meinungsverschiedenheiten werden in einer wohlwollenden und liebevollen Weise angegangen, ohne dem anderen den Glauben abzusprechen. Die Gemeindeglieder sind in der ganzen Stadt bekannt als die liebevollsten und hilfsbereitesten Menschen, die es gibt. Man spürt echte Begeisterung und Liebe für Gott, und die Gemeinde wächst zusehends. Täglich bekehren sich Menschen zu Gott und schließen sich der Gemeinde an.

Ich habe eine große Sehnsucht, dass unsere Gemeinden in dieser Weise Licht und Salz sind, so wie Jesus es geplant hatte. Allerdings kommt mir der Zustand vieler Adventgemeinden in unseren Breitengraden eher so vor, wie Donald McGavran es in seinem Buch Gemeindewachstum verstehen1 ausdrückt: „Inmitten einer Menschheit, in der eine große Zahl von Männern und Frauen für das Evangelium aufgeschlossen sind, sind viele Gemeinden eingeschlafen, stagniert und zu festgefahrenen Ghettos für bequem gewordene Wohlstandschristen verkommen [...] Die Dynamik der Urgemeinde scheint diesem Teil der Christenheit verloren gegangen zu sein.“

Ohne Frage, es gibt Glaubensgeschwister in unseren Gemeinden, die sich treu und unermüdlich einsetzen und die für die Sache Gottes brennen, wofür wir sehr dankbar sind.  Und doch scheint es so, als hätten viele Gemeindeglieder keine lebendige, lebensverändernde Verbindung (mehr) zu Jesus. Die Folge davon ist, dass sie ihrer alten, sündigen Natur hilflos ausgeliefert sind und keine Kraft und Freude haben, ein Leben zu führen, das Gott gefällt. Dadurch kommen Streit, Neid, Stolz, Selbstsucht, Rechthaberei, Heuchelei und andere zersetzende Dinge in die Gemeinde hinein und lähmen sie, ihre eigentliche Berufung zu leben: „Die Gemeinde ist das von Gott erwählte Werkzeug, um Menschen zum Heil zu führen. Sie wurde gegründet, um zu dienen, und ihre Aufgabe ist es, der Welt das Evangelium zu bringen.“2

Unsere Berufung ist es, Menschen zum Heil zu führen und im Kontext der Wiederkunft von Jesus der Welt das Evangelium zu bringen. Stattdessen verbrauchen wir aber die meiste Zeit, Kraft und Geld intern, für unsere eigenen Bedürfnisse und Programme, Streitigkeiten und Grabenkämpfe und um eine „kirchliche Betriebsamkeit“ am Leben zu erhalten, die uns suggeriert, es sei alles in Ordnung. „Und du merkst nicht, dass du erbärmlich und bemitleidenswert und arm und blind und nackt bist.“3

Zurück zur Dynamik der Urgemeinde

Als Vereinigungsteam ist uns bewusst geworden, dass es in einem großen Teil unserer Gemeinden eine tiefe Kluft gibt zwischen Theorie und Praxis, zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der Graben, zwischen dem Ist-Zustand und dem, wie Gemeinde nach Gottes Plan sein soll und sein kann, ist riesig! Und uns bewegt die Frage: Wie können wir (wieder) zu einer Glaubensbewegung werden, auf die die Beschreibung vom Anfang dieses Artikels zutrifft? Wie finden unsere Gemeinden zurück zur Dynamik der Urgemeinde?

Anstatt also weiter nur dafür zu arbeiten, um diesen ungewollten Status Quo beizubehalten, hat sich das Leitungsteam der Baden-Württembergischen Vereinigung (Vorstand und Abteilungsleiter) Anfang 2019 getroffen, um besonders über diese Frage zu beten und nachzudenken. In dieser Zeit wurde uns eines ganz klar: Wir brauchen mehr als neue Methoden, Strategien und Pläne! Alle möglichen Dinge wurden schon entwickelt und ausprobiert, unzählige Seminare gehalten, Konzepte vermittelt, Ausbildungen durchgeführt – ohne wirklichen Durchbruch. Wenn es darum geht, Gemeinden zu neuem Leben zu erwecken und Liebe und Begeisterung zurückzubringen, sind wir mit unseren menschlichen Mitteln und Möglichkeiten auf allen Ebenen völlig überfordert. Wir können es nicht! Diese Einsicht ist schmerzhaft, aber zugleich auch hoffnungsvoll. Schmerzhaft, weil es gegen den menschlichen Stolz geht, zuzugeben, dass man hilflos ist. Hoffnungsvoll, weil wir dem Schöpfer des gesamten Universums dienen, für den nichts unmöglich ist und der nur darauf wartet, dass wir in unserer Hilflosigkeit endlich zu ihm kommen. Der erste Schritt dazu ist, unsere Not klar zu erkennen. Nur wenn wir unsere Hilflosigkeit begreifen und unserem Selbstvertrauen absagen, werden wir unser größtes und dringendstes Bedürfnis erkennen: „Eine Erweckung wahrer Frömmigkeit unter uns ist das größte und dringendste unserer Bedürfnisse. Danach zu streben, sollte unsere wichtigste Aufgabe sein.“4

Wir brauchen Erweckung und Reformation, die von Gott gewirkt sind! Das ist keine neue Erkenntnis. Schon seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten begegnet man immer wieder diesem Gedanken. Es scheint aber so, als hätten wir bisher nicht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit darauf gerichtet. Wenn darin wirklich unser größtes und dringendstes Bedürfnis liegt, und das zu erreichen unsere wichtigste Aufgabe ist – wie wirkt sich das in den Schwerpunkten unserer Arbeit aus, wo müssen wir dann ansetzen? Wir sollen durch „Demut, Bekenntnis, Reue und ernsthaftes Gebet die Voraussetzungen [...] schaffen, die es Gott möglich machen, uns seinen Segen zu geben. Eine Erneuerung kann nur als Gebetserhörung stattfinden.“5

In 2. Chronik 7,14 (ELB) gibt Gott ein deutliches Versprechen ab: Wenn „mein Volk, über dem mein Name ausgerufen ist, sich demütigt, und sie beten und suchen mein Angesicht und kehren um von ihren bösen Wegen, dann werde ich vom Himmel her hören und ihre Sünden vergeben und ihr Land heilen.“ Diese Wegweisung Gottes hat uns getroffen, denn es lag auf der Hand: Was wir noch nicht gemacht hatten, war, unseren Fokus ganz auf die Kraft Gottes und das Gebet zu legen.

Nun mag manch einer denken: Wir beten doch, persönlich und auch in der Gemeinde. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber hier geht es nicht einfach um ein Gebet, das man eher gewohnheitsmäßig am Frühstückstisch oder am Anfang des Gottesdienstes spricht oder am Ende eines Arbeitskreises. Es geht um mehr als „nur“ eine Woche des Gebets. Es geht um eine Gebetsbewegung, die Erweckung und Reformation zum Ziel hat und die jeden einzelnen persönlich erfasst. Eine Gebetsbewegung, die sich durch alle Gemeinden ausbreitet, weil unsere einzige Hoffnung darin besteht, dass Gott seine Verheißung wahr macht, hört, vergibt und heilt. „Die Zeit für eine gründliche Erneuerung ist gekommen. Wenn sie beginnt, wird ein Gebetsgeist alle Gläubigen erfüllen und Uneinigkeit und Streit aus der Gemeinde verbannen.“6

Wir sind uns bewusst, dass das menschlich nicht machbar ist oder verordnet werden kann. Aber wir glauben daran und erleben es, dass Gott den Weg bereitet hat und er dabei ist, seine Verheißungen zu erfüllen. „Wenn Gottes Volk betet – ernsthaft, aufrichtig, jeder für sich und alle gemeinsam – wird Gott antworten. Große Dinge werden dann in und um Gottes Gemeinde geschehen. Und die Umwelt wird die Wirkungen spüren, wenn der Heilige Geist kommt, um Gemeindeglieder auszurüsten und zu stärken.“7

Werde Teil einer Gebetsbewegung

Nach unserer Klausurtagung haben wir angefangen, im kleinen Kreis für Erweckung und Reformation in unserem eigenen Leben zu beten und haben Wunder erlebt. Dann haben wir dieses Anliegen mit dem erweiterten Team der Dienststelle geteilt, als nächstes mit den Mitgliedern des Landesausschusses und mit unseren Predigern. Wir haben eine große Offenheit und Dankbarkeit wahrgenommen und sehen, wie sich immer mehr Geschwister dem Gebet um Erweckung und Reformation anschließen.

Wir glauben, dass wir im Begriff sind, das zu erleben, was Ellen White am 19. Mai 1913 im General Conference Bulletin beschrieben hat: „An dieser Stelle möchte ich euch mitteilen, wie beeindruckt ich von einigen Szenen war, die des Nachts an meinem inneren Auge vorübergezogen sind. Ich sah, dass an vielen Orten eine Welle der Erneuerung durch unsere Gemeinden ging. Viele Geschwister hatten den Ruf Gottes ganz neu gehört und antworteten darauf, indem sie aufstanden und sich gemeinsam mit anderen Gott zur Verfügung stellten. Geschwister, Gott spricht zu uns! Sollten wir nicht seinem Ruf folgen? Ich denke, wir sollten wie Menschen handeln, die auf ihren Herrn warten. Die Zeit ist reif, die Lampen neu zu entzünden und das Licht weiterzutragen. Lasst uns nicht untätig abwarten, sondern handeln.“8

Wir bitten alle Glaubensgeschwister in unseren Gemeinden, das Angesicht Gottes zu suchen und umzukehren, wo es notwendig ist. Wir bitten dich, Teil dieser Gebets- und Erweckungsbewegung zu werden. Die Zeit ist reif – handeln wir wie Menschen, die auf ihren Herrn Jesus warten.

Quellen:
1 Donald McGavran, Gemeindewachstum verstehen, S. 12
2 Ellen White, Gute Nachricht für alle, S.12
3 Offenbarung 3,17 NLB
4 Ellen White, Für die Gemeinde geschrieben, Bd. 1, S.128
5 Ebd.
6 Ellen White, Im Dienst für Christus, S. 53.4
7 Ellen White, Das Gebet [Vorwort], S.7
8 Ellen White, Für die Gemeinde geschrieben, Bd. 2, 382.

INFO:
Gebets- und Erweckungswochenende
28.02.-01.03.
Haus Schwarzwaldsonne, Freudenstadt
Anmeldung: bw.adventisten.de/events

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