Leben
„Ein Musical über das Leben Jesu aufzuführen, hat uns selbst verändert.“
Interview mit der Musicalgruppe „Promise“
Beim Youth in Mission Congress 2019 berührte die Musicalgruppe „Promise“ (dt.: Versprechen) mit ihren Liedern zum Sabbatanfang die Kongressteilnehmer. In dem Musiktheaterstück, das von 15 jungen Adventisten aus ganz Deutschland aufgeführt wird, ist ein Mädchen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und lernt dabei von Menschen, die Jesus persönlich begegnet sind. Wie die Idee für ein solches Musical entstand und wie die Auftritte die eigene Beziehung der Sängerinnen und Sänger zu Gott geprägt und verändert haben – davon erzählen fünf von ihnen in einem ehrlichen Interview.
Zu den Interviewten:
- Debby (22) macht eine Ausbildung zur Krankenpflegerin
- Anja (24) studiert Musik und Englisch auf Lehramt
- Miriam (36) ist Ergotherapeutin
- Markus (27) arbeitet als Rettungsassistent und macht eine Ausbildung zum Heilpraktiker
- Tobias (29) ist Technischer Produktdesigner
Ihr habt hier beim Youth in Mission Congress in Offenburg am Freitagabend ein Musical aufgeführt. Um was geht es in dem Musical?
Miriam: Es geht um ein junges Mädchen, das aus einer zerbrochenen Familie kommt und so am Limit angekommen ist, dass es sich fragt: „Was soll ich überhaupt hier auf dieser Welt? Wie soll das weitergehen?“ Sie ist super einsam, hat keinen Halt und niemanden, an den sie sich wenden kann. In ihrer Verzweiflung begegnet sie jemandem – einem Freund von Gott. Und dieser Freund erzählt ihr, dass es jemanden gibt, der für sie da sein möchte. Das tut er, indem er Geschichten von Jesus erzählt, wie dessen Leben so verlaufen ist, was Jesus für andere gemacht hat (wie zum Beispiel Zachäus, Maria Magdalena oder den römischen Soldaten) ... Und anhand dieser Fragen: „Wie kann denn mein Leben besser werden? Macht es überhaupt Sinn, Gott kennenzulernen?“ zeigt er ihr ganz vorsichtig, wer schon Ähnliches erlebt hat und dass Jesus gestorben ist, für uns und alles, was wir falsch gemacht haben, und ... ja, am Ende findet sie heraus, dass Jesus ihre Sünden vergeben hat, für sie gestorben ist und für sie da sein möchte. Und in diesem Prozess findet sie Halt und Hoffnung.
Das heißt, ihr besingt in dem Musical das Leben von Jesus. Habt ihr diese Lieder selbst geschrieben oder wie sind sie entstanden?
Anja: Wir haben Freunde in Polen, zwei Schwestern, die dieses Musical geschrieben haben. Und die Lieder haben wir dann aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzt.
Debby: Meine und Anjas Eltern kommen aus Polen. Anfangs wollte ich zwar nicht übersetzen, weil es mir viel zu viel Arbeit war und ich davon keine Ahnung hatte. Aber Gott hat es schließlich so geführt, dass ich die Lieder doch übersetzt habe. Und ich kann mich beim letzten Lied noch erinnern, dass ich mich tatsächlich hingesetzt, die DVD mit dem Musical angemacht und den deutschen Text parallel aufgeschrieben habe ... – es wurde später nichts mehr bearbeitet. Dabei hatte ich vorher noch gedacht: „Das wird das schwerste Lied sein. Wie soll ich das machen?“ Und da habe ich wirklich gespürt, wie meine Gedanken vom Heiligen Geist gelenkt wurden ...
Miriam: Die Entstehung des Musicals war generell verkettet mit vielen Problemen. Wir hatten anfangs einen erfahrenen Klavierspieler, der aber ohne Noten nicht zurechtkam. Es war nicht einfach, sich zusammenzufinden. Ziemlich bald schon haben wir gemerkt: Das läuft nicht so rund, wie Anja sich das vorgestellt hat.
Anja: Wir waren ja auch alle keine Profis, sondern einfach irgendwelche Leute, die gerne singen – das war schon eine große Herausforderung, dieses Musical. Ein langer, schwieriger Weg.
Miriam, du spielst ja im Musical die Rolle der jungen Frau und hast am Ende der Aufführung auch ein paar Tränchen vergossen. Kannst du sagen, was dich in dem Moment bewegt hat?
Miriam (lächelt): Also, dieses Musical machen wir schon vier Jahre und ich kann mich erinnern, dass Anja und Debby damals zu mir gesagt haben: Miriam, in dieser Szene musst du unbedingt weinen! Und das hat mich so unglaublich gestresst, weil ich dachte: „Wie soll ich das denn hinbekommen – ich bin doch keine Schauspielerin! Ich hab` nicht gelernt zu weinen!“ Und wenn du verstehst, was du da singst oder was erzählt wird in dieser Szene: Jesus stirbt für dich. Er gibt sein Blut ... Klar, spiele ich das und verstehe: Ah, okay, Jesus ist für mich gestorben – aber es trifft mich jedes Mal (bekommt Tränen in den Augen), auch jetzt, wenn man darüber spricht ... Dir wird klar: Du spielst zwar diese Rolle, aber Jesus ist für mich als dieser Mensch, der das spielt, gestorben. Und weißt du, manchmal kommst du ja in so eine Probe rein und trägst irgendwie den Stress der Woche mit dir, hast Ärger gehabt, hast dich vielleicht falsch verhalten, jemand hat sich dir gegenüber falsch verhalten – und dann wird dir klar: Das gilt jedem von uns! Und das ist einfach so der Moment, in dem ich dann immer wieder denke: Was für eine Scham .... das ist einfach für uns passiert und jeder von uns trägt dazu bei, dass Jesus sterben musste ... und das bewegt mich einfach jedes Mal wieder, so dass ich denke: Danke dafür, weil ... ich habe das nicht verdient ... (Tränen fließen)
Wie geht es euch anderen damit?
Anja: Also, ich denke auch: Die Geschichten haben wir vielleicht schon zig Mal gelesen, aber sich das nochmal vor Augen zu führen und zu verstehen, was da eigentlich damals passiert ist, kann man, glaube ich, durch so ein Musical sehr gut zeigen – durch die Emotionen und die Stimmung, die wir dort zu erzeugen versuchen.
Tobias: Wir erleben, dass die biblischen Geschichten mit Leben gefüllt werden, wenn wir sie auf der Bühne vorspielen. Und ich denke, dass es unter die Haut geht und die Menschenherzen berührt – da wirkt Gottes Geist. Und das trotz unserer Schwachheiten und sogar manchmal noch schiefen Töne dazwischen (lächelt).
Was ist es denn, das ihr den Leuten mitgeben wollt durch das Musical? Miriam hat es schon angedeutet ... welchen Sinn hat für euch dieses Musical?
Markus: Das kristallisiert sich ganz zum Schluss heraus und wir schließen das Musical damit ab, dass Jesus wiederkommen wird. Wir reden ja meistens darüber, dass Jesus für uns gestorben ist. Aber das ist tatsächlich nicht das Ende: Er wird wiederkommen und uns alle mit zu sich nehmen. Das ist eine wunderbare Botschaft für uns alle, die uns Hoffnung macht und die wir versuchen, den Menschen klarzumachen.
Habt ihr denn das Gefühl, das kommt bei den Leuten an? Wie oft habt ihr das mittlerweile aufgeführt?
Anja: Mittlerweile 16 oder 17 Mal.
Das heißt, ihr seid schon etwas herumgekommen. Wie fielen da die Reaktionen aus, gerade wenn die Zuschauer nicht gläubig waren?
Anja: Meistens haben wir das Musical in Adventgemeinden aufgeführt. Der Titel lautet „Frage die, die IHN kennen“. Aber eigentlich ist das Musical ja nicht nur für die konzipiert, die Gott schon kennen, sondern gerade für die, die ihn möglicherweise noch nicht kennen. Und das war auch durch die ganze Zeit hindurch unser Ziel, zu den Leuten rauszugehen und vielleicht auch in Gefängnissen und Altersheimen zu singen. Das mit den Gefängnissen gestaltet sich hier in Deutschland ein bisschen schwierig (schmunzelt), aber wir hatten gerade vor zwei Wochen die Möglichkeit, in der Wolfsburger Innenstadt mit unserer Gruppe genau diese Lieder vom Musical zu singen.
Markus: Also wir haben nicht das ganze Musical vorgeführt, sondern nur ein paar Lieder. Und Passanten sind stehengeblieben ... und man muss dazu sagen, dass es für uns auch eine ganz, ganz große Erfahrung gibt, die wir gemacht haben: Eine Person, die damals stehenblieb, ist heute hier auf dem Youth in Mission Congress.
Wirklich?
Alle (nicken): Ja!
Markus: Sie hat gesagt, sie möchte unbedingt hierherkommen mit ihrem Sohn. Und sie ist hier. Das ist eine wahnsinnige Erfahrung für uns!
Okay, jetzt bin ich neugierig geworden. Könnt ihr mehr darüber erzählen?
Miriam: Wir hatten ein Jugendwochenende mit dem Jugendsekretär aus Polen und waren selbst ganz skeptisch, weil wir nicht wussten, was er machen will. Es war klar, er plant einen Outreach, und er sagte dann: „Ich stelle mich einfach auf die Straße und predige“ – was ja schon ein komisches Bild ist, ne? Hör mal, wollen wir das wirklich? (schmunzelt) Aber er hat gesagt, wir machen das ganz spontan. Also haben wir als Musicalgruppe gesungen und er hat zwischendrin gesprochen, wobei ihn jemand übersetzte. Er hat sich kurz gehalten, darauf hingewiesen, wie groß Gott ist und wie er selbst vom Drogendealer zum Pastor wurde. Und diese Frau war die ganze Zeit da, hat sich die Bücher angeschaut ... Wir haben die Leute auch immer wieder eingeladen, zu uns zu kommen, damit wir für sie beten können. Deshalb ist sie zum Prediger hingegangen, der für sie und ihren Sohn gebetet hat. Eine Woche später stand sie dann vor unserer Gemeindetür.
Anja: Sie hat auf jeden Fall kein einfaches Leben. Und sie ist auf der Suche nach Gott ... Als ich ihr schließlich vom Youth in Mission Congress erzählt habe, fingen ihre Augen an zu funkeln, und sie sagte, sie wolle gerne mitkommen. Und ja ... jetzt ist sie hier!
Wenn ihr so erzählt, merkt man, dass ihr wirklich versucht, das, was ihr selbst mit Gott erlebt habt, auf der Bühne rüberzubringen. Wollt ihr etwas über eure eigene Geschichte mit Gott erzählen?
Anja: Mein Weg mit Gott ist tatsächlich mit dem Musical verknüpft. Ich bin zwar in einer gläubigen Familie aufgewachsen, aber zwischenzeitlich fand ich irgendwie alles andere interessanter als den Glauben. Trotzdem habe ich immer gewusst, dass das das Richtige ist. Ich hatte Musicals und so etwas schon immer sehr gemocht, und als ich das Musical über das Leben Jesu auf Polnisch gesehen habe, überkam mich das Verlangen, so etwas in Deutschland zu machen. Und wie gesagt: Ich war ja eigentlich nicht mehr so richtig in der Gemeinde ... ich bin immer hingegangen, weil meine Eltern hingegangen sind, aber mit meinem Herzen war ich auf jeden Fall nicht dabei – und eine Beziehung zu Gott hatte ich schon gar nicht! Und genau in dieser Zeit ist dieses Musical entstanden. Dahinter stand eigentlich kein richtiges Konzept, so dass ich sagen könnte, ich hätte das alles durchgeplant. Ich bin mir ganz sicher, dass das Gottes Plan war ... dass Gott uns so zusammengeführt hat, dass Gott mir die Idee gab, genau diese Leute anzusprechen und dass er das alles unglaublich geführt hat bis zum heutigen Tag. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn es gab Situationen, gerade am Anfang des Musicals, da war es wirklich sehr schwierig, und ich hatte schon ab und zu den Gedanken: Okay, sollen wir das nicht alles hinschmeißen? Schaffen wir das?
Was waren die Herausforderungen?
Anja: Zwischenmenschlich. Wir sind eine bunt zusammengewürfelte Gruppe jeden Alters ... Viele von uns kannten sich auch noch gar nicht. Ich hatte ja Personen gefragt, von denen ich wusste: Okay, der kann singen, der kann auch singen, und plötzlich waren wir zusammen und haben so unglaublich viel Zeit verbracht. Und dass solche Proben stressig sind, ist natürlich klar. Aber ich weiß nicht, wo ich heute wäre, wenn nicht das Musical damals gewesen wäre.
Also das heißt, durch das Musical hast du so den persönlichen Bezug zum Glauben und zu Gott gefunden?
Anja (nickt): Auf jeden Fall!
Markus: Das ist, glaube ich, genau das, was Anja sagen möchte, dass wir alle durch das Musical auch zu uns selbst gepredigt haben.
Die anderen nicken.
Markus: Natürlich ist das, was wir vorgeführt haben, für die anderen da. Aber wir haben vorwiegend selbst immer und immer wieder davon profitiert, dass das, was wir anderen weitergegeben haben, uns selbst etwas zurückgegeben hat. Und ich weiß nicht, ob ich das jetzt einfach sagen soll (schaut zu Anja), aber ich mach´s einfach: Anja hat sich erst im letzten Jahr taufen lassen und trotzdem vorher schon das Musical mit aufgeführt. Sie war vorher vielleicht nicht offiziell Gemeindeglied oder offiziell von so einer Sache überzeugt, aber durch das Musical ist sie zu der vollen Überzeugung gekommen: Ich gehöre hier hin, das ist mein Weg, das ist mein Zuhause.
Miriam: Ich denke, dass jeder von uns sich in diesem Musical irgendwie wiederfindet. Als Debby mir damals gesagt hat, ich sollte diese Rolle spielen, wollte ich das gar nicht! Ich wollte gerne singen, auch wenn ich keine supergute Sängerin bin, und dachte: „Och nee, die Hauptrolle möchte ich eigentlich gar nicht. Ist mir total unangenehm.“ Und Anja sagte: „Aber du bist die einzige, die das machen kann!“ (lächelt) Und wenn du so nach unserer eigenen Beziehung zu Gott fragst, sind da wirklich Dinge, mit denen ich mich identifiziere. Ich weiß zum Beispiel, vor ein paar Jahren wäre meine Sprache noch ganz anders gewesen ... Ich habe tatsächlich früher geklaut! Ich hab` meine Oma zwar nicht beklaut, wie die junge Frau im Musical – aber es ist wirklich so: Gott hat mich so sehr bewahrt vor ganz vielen verrückten Dingen. Ich bin auch geborenes Adventistenkind ... und du weißt, dass das, was du da tust, nicht richtig ist. Du weißt das die ganze Zeit (kämpft mit den Tränen). Ich habe das lange mit mir herumgetragen und bin dann irgendwann zu diesen Geschäften gegangen, wo ich geklaut hatte, weil ich die Last loswerden musste. Und Gott hat mir superkrasse Erfahrungen damals geschenkt.
Ich bin auch so wie Anja gewesen: Alles war interessanter, nur nicht die Gemeinde. Man geht dort hin, weil man nette Leute kennt, und irgendwann kam ich an den Punkt, dass ich gesagt habe: „Gott, ich bin unzufrieden mit meinem Leben, so wie es ist.“ Und dann erinnerst du dich, was du hier und da gehört hast, dass du zu Gott kommen sollst und ihm dein Leben in die Hände geben sollst. Und diesen Punkt hat es in meinem Leben gegeben, und so sind viele Sachen danach anders geworden. Wenn man das so zurückverfolgt, bin ich irgendwie in dieser Musicalgruppe gelandet. Ich weiß noch, ich hatte mich damals von jemandem getrennt und wusste auch nicht: Was wird denn aus meinem Leben? Und in dieser Musicalgruppe habe ich meinen Mann kennengelernt (schmunzelt).
Markus: Amen!
Alle lachen.
Miriam: Ja ... Ich hatte oft Partner, die nicht gläubig waren, und das bringt dich alles weg von Gott und nicht hin zu Gott. Dann habe ich dieses Gebet gesagt: „Lieber Gott, ich habe die Schnauze voll davon, wie mein Leben läuft. Mach doch jetzt was!“ Und wenn ich jetzt hier sitze und zurückblicke, dann denke ich mir: Es ist so unglaublich viel passiert! (Tränen kullern)
Das ist so schön zu hören. Mich hat euer Musical auch bewegt, zum zweiten Mal sogar. Was plant ihr denn für die Zukunft? Gibt es vielleicht ein neues Musical irgendwann?
Anja: Das ist eine sehr gute Frage, die wir so gar nicht beantworten können. Wir fragen uns das auch schon sehr lange und machen uns Gedanken, wie es weitergehen soll. Wir haben auch, ehrlich gesagt, überlegt, dass wir so langsam mit dem Musical aufhören ...
Debby (lacht): Und dann kam die Anfrage vom YIM!
Anja: Genau, und dann habe ich eine E-Mail bekommen, ob wir nicht auf dem Youth in Mission Congress singen können. Und da haben wir uns auch überlegt, ob das vielleicht eine Antwort von Gott ist, dass dieses Projekt noch nicht beendet werden soll. Aber wir versuchen trotzdem, parallel an anderem Repertoire zu arbeiten.
Miriam: Das ist gerade noch so in Gebetsarbeit. Irgendwie möchtest du auf diesem Level weitermachen, aber wie? Es soll schon irgendwie auf Christus hinweisen, christusorientiert sein. Aber wie das weitergeht, ist ein Gebetsanliegen unserer Musicalgruppe. Weil wir nicht einfach irgendwas machen wollen und wir immer wieder erlebt haben, wie Gott uns führt und uns immer wieder zeigt: „Okay, ihr wisst gerade nicht, wie es weitergeht – ich schon.“ Wenn es dann was gibt, werdet ihr bestimmt von uns hören (lächelt).
Ja, das hoffe ich doch. Und ich bin mir sicher, dass Gott euch zeigen wird, wie es weitergehen soll. Danke für eure Offenheit!
Das Interview mit der Musicalgruppe „Promise“ vom 21.04.2019 wurde niedergeschrieben und gekürzt von Magdalena Lachmann.
INFO:
Der 14. Youth in Mission Congress findet vom 9. bis 13. April 2020 in Offenburg statt. Anmeldung unter: www.yimc.de