Interview
Von Bienen, Honig und eigenen Unternehmen
Interview mit Sebastien Braxton
Sebastien, du hast in einer deiner Predigten beim Youth in Mission Congress erwähnt, dass du zu Hause, in North Carolina (USA), nicht als Pastor arbeitest. Was machst du beruflich?
Ich leite drei Unternehmen, eines davon nennt sich „The New Life Challenge“ (Die Herausforderung des Neuen Lebens). Wir wollen Menschen helfen, ein gesünderes Leben zu führen, und ihnen die Entscheidung dazu erleichtern. Dafür stellen wir Inhalte zum Thema Gesundheit bereit, programmieren Apps, schreiben (Koch-)Bücher, organisieren Veranstaltungen und schaffen Netzwerkmöglichkeiten. Unsere Angebote sind sehr vielfältig – auf www.getthenewlife.com findest du mehr Infos. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, dass man einen gesunden Lebensstil auf einfache Weise umzusetzen lernt.
Wie lange machst du das schon?
Offiziell bin ich seit über einem Jahr bei „The New Life Challenge“ in Vollzeit angestellt. Aber an der Umsetzung unserer Projekte arbeite ich schon seit mehreren Jahren.
Wie kamst du denn auf die Idee, ein Unternehmen zu gründen, das sich mit dem Thema Gesundheit beschäftigt? Du hast ja selbst keine Ausbildung in dem Bereich, oder?
Nein, ich habe BWL sowie Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert und im Vertrieb verschiedener Unternehmen gearbeitet. Später habe ich viele Jahre im Auftrag meiner Vereinigung Missionare ausgebildet. Mit dem Gesundheitswesen hatte ich immer wieder zu tun – weil zum Beispiel einige aus meiner Familie einen medizinischen Beruf haben. Und was man nicht vergessen darf: Als ich Adventist wurde, änderte sich vieles in meinem Leben, das in hohem Maß meine Gesundheit betraf. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie die Umstellung der Ernährung und des Lebensstils unser komplettes Leben beeinflusst. So sind zum Beispiel meine Allergien und Hautprobleme verschwunden – und es gab vieles mehr, das sich zum Positiven veränderte. Früher stand ich Veränderungen hinsichtlich Lebensstil und Gesundheit kritisch gegenüber. Heute merke ich, dass mein tägliches Training sich sogar auf meine Predigten auswirkt: Ich habe mehr Energie und Ausdauer, wenn ich über einen längeren Zeitraum vorne stehe und predige.
Du hast erwähnt, dass du drei Unternehmen führst. Um was geht es bei den anderen beiden?
Mithilfe einer weiteren Firma bringen wir Leuten bei, wie sie mit ihren Finanzen sinnvoll umgehen und diese investieren. Und dann gibt es noch das Film- und Animationsstudio „Martoos Studios“. Durch diese Unternehmen eröffnen sich unzählige Möglichkeiten, mit Menschen in Kontakt zu kommen und meinen Glauben an Christus zu bezeugen. Wenn ich den Leuten zum Beispiel erzähle, dass die Bibel bestimmte Prinzipien über den Umgang mit Finanzen hat, sind sie daran interessiert. Bei der Arbeit für das Filmstudio treffe ich viele Leute, für die ich als Person wichtig bin. Deshalb fällt mein Glaube auf und kommt häufig zur Sprache. Sie wundern sich, warum ich freundlich und geduldig bin, warum ich anders bin als Andere in diesem Business.
Du hattest ja auf dem Youth in Mission Congress auch einen Workshop darüber, wie man ein eigenes Unternehmen gründet. Inwiefern möchtest du Jugendliche diesbezüglich ermutigen?
Ich möchte junge Menschen ermutigen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, da es die beste Art ist, um für Gott zu arbeiten. Die meisten können nicht für Gott arbeiten, da ihr Zeitplan von anderen Personen bestimmt wird. Wenn du aber für deine eigene Firma arbeitest, kannst du selbst abwägen, wie viel Arbeit du annimmst. Und du erkennst, dass du Talente und Fähigkeiten hast, die dir niemand nehmen kann! Es gibt eine afrikanische Geschichte, die ich den Leuten gerne erzähle. Sie handelt von einer Honigbiene: Nachdem die Honigbiene ihren Honig gemacht und die Wabe verlassen hat, kommt jedes Mal der Bär, bricht die Wabe auf und nimmt sich den ganzen Honig. Denn Bären lieben Honig. Und die Geschichte geht so lange weiter, bis der Frosch eines Tages zur Honigbiene kommt und fragt: „Frau Honigbiene, warum machen Sie weiter Honig, wenn der Bär sich den Honig sowieso wieder holen wird?“ Und die Honigbiene antwortet: „Der Bär kann mir zwar meinen Honig wegnehmen, aber er kann mir nicht die Fähigkeit nehmen, Honig zu machen.“
Das ist das Schöne am eigenen Unternehmen. Wenn du in einer Firma arbeitest und in einer bestimmten Sache besonders gut bist, kann dir niemand die Fähigkeit nehmen, etwas zu erschaffen. Das ist meiner Meinung nach der Schlüssel: In einem eigenen Unternehmen hast du die Möglichkeit, deinen eigenen Honig nach eigenen Vorstellungen und unter eigenen Bedingungen herzustellen. Und wenn du diese Fähigkeit entwickelt und gelernt hast, wie man ein eigenes Unternehmen mit bestimmten Standards und durch bestimmte Fähigkeiten führt, kann dir das niemand jemals wegnehmen. Der Vorteil daran ist: Es gibt uns Zeit, Freiheit und Raum, um das Leben zu führen, das wir führen wollen.
Das bringt mich zu meiner nächsten Frage. In einer Ansprache hast du gesagt, dass wir auf uns Acht geben und uns selbst „bewachen“ sollten. Was meinst du damit genau?
Wenn man über das Wort „bewachen“ nachdenkt, dann geht einem sofort durch den Kopf, dass irgendwo Gefahren lauern, oder? Vor was müssen wir uns also in Acht nehmen? Die Gefahren, die ich sehe, sind unter anderem, dass jeder von uns Versuchungen ausgesetzt ist. Einerseits versucht uns der Teufel, andererseits kämpfen wir mit unserem sündigen Herzen – wir kämpfen mit Dingen, von denen wir wissen, dass sie falsch sind und uns zerstören. Und dann geht es in unserem Leben darum, uns davor zu „bewachen“, dass unsere Beziehung zu Gott abbricht. Wie schützen wir uns also vor all dem?
Ich glaube, es geht in erster Linie darum, auf unsere Verfassung und unseren Zustand Acht zu geben. Wenn du etwas bewachst, sind deine Augen ständig darauf gerichtet – du versuchst es mit allen Mitteln zu beschützen, damit du sicherstellst, dass es dort bleibt, wo es hingehört. Wir sollten uns also auch fragen: Bin ich dort, wo ich sein sollte? Bin ich geistlich so erfüllt und gestärkt, wie ich sollte? Dafür muss ich mir selbst die nötige Zeit geben. Wenn die Leute auf ihren Tag und ihre To-Do-Liste schauen, ist in der Regel an keiner Stelle Zeit für sie selbst eingeplant. Aber um eine starke Verbindung zu Christus zu haben, muss ich mir diese Zeit nehmen! Eine Zeit nur für mich, um nachzudenken, zu lesen, die Nachrichten zu verfolgen, einen Spaziergang oder Sport zu machen – insbesondere, um mein geistliches Leben zu stärken. Denn das ist der Kern unseres Lebens! Uns selbst zu „bewachen“ bedeutet also, die Zeit zu schützen, die wir haben, um sicherzustellen, dass es uns gut geht. Wir sollten sicherstellen, dass wir geistlich das bekommen, was wir brauchen, und das Nötige tun, um geistlich zu wachsen.
Beinhaltet das möglicherweise auch, dass wir uns selbst hinterfragen, ob wir zu sehr im Dienst für Andere involviert sind?
Ja, absolut. Wir sind hier und da so beschäftigt, dass wir keine Zeit für uns selbst haben. Der Feind Nr. 1, vor dem wir uns in Acht nehmen müssen, ist der Dienst für Andere. Denn oftmals gebrauchen wir den Dienst für Jesus als Ersatz für Jesus selbst! Doch wir dürfen nicht vergessen, dass Jesus über seiner Arbeit steht und wir in erster Linie unsere Beziehung zu ihm stärken sollten.
Du hast vorhin erwähnt, dass du nicht immer Adventist warst. Kannst du mir mehr über deinen Weg mit Gott erzählen?
Das war so, dass ich nach meiner Zeit als Marinesoldat wieder studieren wollte. An der Universität lernte ich ein hübsches Mädchen kennen, das – wie ich herausfand – Christin war. Ich war damals nicht am Christentum interessiert, genau genommen war ich sogar sehr dagegen. Ich diskutierte ständig mit Christen und hatte es mir zur Aufgabe gemacht, ihnen das Leben schwer zu machen (lacht). Ich war der Meinung, Christen wären Heuchler und würden ein Doppelleben führen – zumindest die, die ich kannte. Jedenfalls sagte ich zu dem hübschen Mädchen, das weder mich noch meine Einstellung zu Christen kannte: „Hey, wir sollten mal die Bibel zusammen studieren.“ (schmunzelt) Ich benutzte die Bibelstunden als Ausrede, um Zeit mit ihr zu verbringen.
Das ist ja ganz schön hinterhältig.
(lacht) Ja, ich war ziemlich hinterhältig. Dem Herrn sei Dank habe ich mich bekehrt (lacht weiter). So benutzte ich die Bibelstunden zwar als Ausrede und ging eigentlich nur hin, um sie kennenzulernen. Doch letztendlich übten diese Bibelstunden mit ihr einen starken Einfluss auf mich aus.
Das ist aber nicht das Mädchen, das du später geheiratet hast, oder?
Nein, sie ist heute mit jemand anderem verheiratet. Das Mädchen habe ich also nicht bekommen ... (schmunzelt) stattdessen den Herrn und das Evangelium (lacht). Aber es ist schon seltsam, dass Gott eine so sanftmütige und zurückhaltende Person wie sie gebrauchte, um mein Herz zu erreichen. Denn charakterlich bin ich das genaue Gegenteil von ihr. Wir studierten also Daniel 2 und 7. So kam ich langsam zu der Überzeugung, dass die Bibel wirklich Gottes Wort ist. Ich begann dieses Buch intensiv zu erforschen, manchmal neun bis zehn Stunden am Tag – bis spät in die Nacht. Ich wollte das nachholen, was ich in meinem Leben bisher versäumt hatte. Ich studierte und studierte ... und am 6. April 2002 übergab ich Jesus schließlich durch die Taufe mein Leben.
Die Entscheidung, Christ zu werden, fiel mir anfangs jedoch sehr schwer. Als ich begann, die Bibel zu studieren, wollte ich die Wahrheiten, die ich erkannt hatte, ausleben. Doch wenn ich mich als Christ bezeichnete, so dachte ich, würde ich mich selbst als Heuchler entlarven. Erst eine Erfahrung, die ich in Verbindung mit meiner damaligen Freundin machte, führte mich schließlich zur Entscheidung, Christ zu werden: Da ich in der Bibel gelesen hatte, wir sollten keinen Ehebruch begehen, sagte ich meiner damaligen Freundin, dass wir nicht mehr miteinander schlafen konnten. Sie war natürlich nicht sonderlich begeistert. Und als sich diesbezüglich nicht wirklich etwas veränderte, war ich ziemlich entmutigt. So gab mir das Mädchen von meiner Uni, mit der ich die Bibel studiert hatte, eine Aufnahme von einer Predigt über Gerechtigkeit aus Glauben. In der Predigt zeigte der Pastor auf, dass wir durch die Kraft Jesu ein treues und gerechtes Leben führen können. Das stellte mein Denken völlig auf den Kopf! Denn es bedeutete, dass ich mit jeder Gewohnheit und Situation brechen konnte – alles, was ich tun musste, war, Christus zu vertrauen. Ich war so bewegt davon ...
Eines Tages wollte meine Freundin vorbeikommen und ich dachte mir: kein Problem, meine Familie ist ja da – kein Risiko, dass etwas passiert. Doch dann entschlossen sich meine Geschwister und meine Stiefmutter plötzlich aus dem Nichts, meine Großmutter zu besuchen. Mein Vater musste auf einmal auf Geschäftsreise. Und ich dachte: „Oh nein ... der Teufel will mich rumkriegen.“ So hörte ich mir die Predigt über Gerechtigkeit aus Glauben etwa fünf Mal an, bevor meine Freundin kam. Ich kannte sie schon fast auswendig, denn ich wollte dieser Versuchung widerstehen. Als sie schließlich kam, schaute ich mir einen Film an, während sie lernte. Als sie zu mir aufs Bett kam, setzte ich mich auf den Boden. Als sie sich auf den Boden zu mir setzte, zog ich in ein anderes Zimmer um. Als sie in mein Zimmer kam, ging ich die Treppe hoch (schmunzelt). Ich zog von einer Stelle zur nächsten, um diesem Mädchen fernzubleiben. Schließlich sagte sie, sie müsste jetzt gehen, da ihre Schwester Geburtstag hatte. Wahrscheinlich war in dem Moment niemand so glücklich wie ich, dass die eigene Freundin gehen wollte. Ich packte alle ihre Sachen für sie zusammen. Das Ganze zog sich noch etwas hin und irgendwann fragte sie: „Es ist Zeit zu gehen ... kann ich dich umarmen?“ Und ich: „Ähhmm ... das ist keine gute Idee ...“ Aber ich dachte mir, es wird schon nichts passieren. Und natürlich war das ein Fehler – und die Situation eskalierte. Sie ging sogar körperlich offensiv vor. „Ich weiß, du wolltest damit aufhören“, sagte sie, „aber lass es uns nur noch dieses eine Mal tun.“ In meinem Kopf fing ein Kampf an – ich hatte die Bibel zu der Zeit seit zwei Monaten studiert. Ich war mir sicher: Wenn Gott mir nicht hilft, werde ich fallen! Und ich erinnere mich, dass mir plötzlich die Predigt wieder einfiel. Darin sagte der Prediger: „Warum warten wir bis nach der Versuchung, um mit Gott zu reden. Wir sollten in der Versuchung mit Gott sprechen!“ So begann ich, in meinem Inneren mit Gott zu reden und ihn um Hilfe zu bitten.
Doch ich spürte keine Hilfe oder Veränderung! Und so machte sich Enttäuschung in meinem Herzen breit: „Ich dachte, dass der christliche Glaube echt ist, aber ... anscheinend ist er nicht echt.“ Ich war schon drauf und dran, der Versuchung nachzugeben, doch in diesem Moment spürte ich, wie eine Kraft meinen Körper durchströmte. Jedes sexuelle Verlangen war auf einmal verschwunden, und die ganze Situation veränderte sich plötzlich. Ich fühlte mich von dem Mädchen nicht mehr angezogen. So schob ich sie von mir weg, und sie begann zu weinen. Und das nächste, was ich weiß, ist, dass sie mich verstört anschaute und sagte: „Ich glaube, ich bin gerade nicht ich selbst ...“ Ich konnte es nicht fassen! „Das ist verrückt!“, dachte ich (lacht). Wir begannen gemeinsam zu beten. Und am Ende sagte sie, dass es wohl besser wäre, unsere Beziehung zu beenden. Ich war damit einverstanden. Als sie nach Hause ging, saß ich auf meinem Bett und dachte mir: „Der christliche Glaube ist echt. Ich werde Christ.“ Ich weiß, dass Gott alles dafür geben würde, um uns von Dingen zu befreien, wenn wir ihm vertrauen.
Interview mit Sebastien Braxton vom 16.04.2017, niedergeschrieben, gekürzt und übersetzt von Magdalena Lachmann.