Wieder mal Lust auf etwas Endzeit-Nervenkitzel?

Glaube
Wieder mal Lust auf etwas Endzeit-Nervenkitzel?

Wie wir echte Zeitzeichen erkennen und einordnen

Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen, Pandemien – zu allen Zeiten gab es sie, und trotzdem lassen wir uns immer wieder dazu hinreißen, jedes Ereignis in das prophetische Zeitgeschehen einordnen zu wollen. Aber ist diese Vorgehensweise wirklich gewinnbringend, während wir der Wiederkunft entgegengehen? Oder brauchen wir den regelmäßigen Nervenkitzel nur, damit er uns in eine gewisse Endzeitstimmung versetzt? Bernd Sengewald erklärt, was beim Umgang mit (vermeintlichen) Zeichen der Zeit von Vorteil ist.

Die Spannung im Raum ist greifbar. Der Sprecher am Pult redet mit großer Überzeugungskraft. Alle im Saal schauen gebannt nach vorne und saugen förmlich seine Worte auf. Vergessen sind Stift und Notizblock, die manche in ihren Händen halten – Zuhören ist jetzt wichtiger. Er wird bald kommen! Die letzte Zeit ist angebrochen! Die Zeichen, die gerade vor unser aller Augen ablaufen, sind ganz klar und eindeutig ... Eine Szene, die – zugegeben etwas überspitzt beschrieben – im Laufe der Adventgeschichte immer wieder abgelaufen ist und vermutlich immer wieder ablaufen wird. Ich selbst war schon mehrfach Teil davon. So zum Beispiel 1991 während einer Versammlung in einer Privatwohnung. Damals stand eine Flip-Chart auf der einen Seite des Wohnzimmers und es wurden Symbole, Schlagworte und Daten aufgezeichnet. Es war zur Zeit des ersten Irakkriegs – ein eher kurzer, aber heftiger Krieg, der am 17. Januar 1991 unter dem Namen Operation Wüstensturm“ begann. Die Zuordnung dieses Krieges auf der Flip-Chart war ganz klar: Dieser Krieg sei in Daniel 11,40 beschrieben worden und würde die Zeit direkt vor der Wiederkunft Jesu einläuten. Inzwischen schreiben wir das Jahr 2021, und es sieht für mich nicht so aus, als ob die Einordnung von damals wirklich so korrekt und eindeutig gewesen war.

Als Jesus in seiner Rede in Matthäus 24 über die Zeichen der Zeit sprach, nannte er auch Kriege und Kriegsgeschrei. Darüber hinaus sprach er von Hungersnöten und Erdbeben, fügte dem jedoch hinzu: „Das alles aber ist der Anfang der Wehen.“1 Wer den Textzusammenhang der Parallelstelle in Lukas 21 näher betrachtet, wird merken, dass diese Geschehnisse – sowie die darauffolgenden – alle auch schon vor der Zerstörung von Jerusalem zu erwarten waren.2 Aber auch ganz allgemein betrachtet, reihen sich praktisch über die gesamte Weltgeschichte hinweg endlos viele Kriege aneinander. Allein im 20. Jahrhundert starben bei solchen Auseinandersetzungen zwischen 100 und 185 Millionen Menschen. Und selbst nachdem der Zweite Weltkrieg vorbei war, verloren weiterhin durch Kriege weltweit mindestens 25 Millionen ihr Leben.3

Sind Seuchen wie Corona wirklich Vorboten der Wiederkunft Jesu?

Im Moment machen nicht nur in adventistischen Kreisen Spekulationen die Runde, die Corona-Pandemie läute die finale Endzeit-Krise ein. Viele achten derzeit berechtigterweise verstärkt auf aktuelle Ereignisse. Doch die meisten Theorien, die dabei entstehen, sind nicht nachprüfbar. Auch Krankheiten als letzte Zeitzeichen zu verstehen, ist der Bibel nach schwach. Es gibt nur eine relevante Stelle, die wir heranziehen können – und die steht in Lukas 21,114 im Rahmen der bereits genannten Endzeitrede Jesu. Genauso wie bei Kriegen gab es in der Weltgeschichte schier endlos viele Seuchen, die viele Millionen von Menschen hingerafft haben.5 Bei der zweiten Pestepidemie 1346-53 starb etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas.

Natürlich ist die Coronakrise für uns als Generation dieser Zeit ein Ereignis, wie wir es noch nie erlebt haben. Der Soziologe und Arzt Nicholas Christakis drückt es so aus: „Machen wir uns klar: Seuchen mögen neu für uns sein. Für die Menschheit sind sie es nicht.“ Und weil es neu für uns ist, mag es sich wirklich endzeitlich anfühlen! Dementsprechend nehmen nicht wenige Gläubige an, dass wir im letzten Abschnitt des Endzeitgeschehens angekommen sind. Ab jetzt würde alles schnell ablaufen, was für die Zeit vor der Wiederkunft Jesu angekündigt worden ist.

Dagegen gehen Historiker und Psychologen, die sich intensiv mit vergangenen Katastrophen dieser Art beschäftigt haben, davon aus, dass es nach dem Abflauen der Pandemie zu einem Versuch kommen wird, alles nachzuholen, was man in dieser Zeit der Einschränkungen verpasst hat. Ausgehen, feiern, Urlaub machen und anderes mehr werde in fast orgiastischer Art und Weise ausgelebt werden. Ähnlich wie in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als nach der Spanischen Grippe das Festverhalten ausuferte.6 „Noch hat keine Epidemie eine entscheidende Wende in der Geschichte verursacht“, so der Historiker Volker Reinhardt. „Bisher sind Epidemien stets mit Verdrängen und Vergessen beantwortet worden.“ Aber natürlich kann die Geschichte keine sicheren Rückschlüsse auf die Zukunft geben, sondern ist immer ein Aufbruch ins Unbekannte.7

Es ist wohl wahr, dass sich immer das am eindrücklichsten und schlimmsten anfühlt, was man selbst erlebt. Dennoch ist es bei der Interpretation von Zeichen der Zeit aus der Bibel wichtig, dass man sie im Rahmen des gesamten Weltgeschehens betrachtet. Immer wieder in den aktuellen Geschehnissen die Bedeutung von Endzeitzeichen zu sehen oder sogar aufgrund dessen konkrete Daten für die Wiederkunft festzulegen, wird auf Dauer die Menschen ermüden und zudem die Glaubwürdigkeit der guten und validen Aussagen über das Endzeitgeschehen schmälern. Dementsprechend hat auch Ellen White davor gewarnt, ständig neue Daten zu setzen und Endzeitstimmung zu schüren.8 So schrieb sie zum Beispiel in Testimonies for the Church (Bd. 4): „Verächtlich blicken die Menschen auf die Fehlschläge jener Wiederkunftsmathematiker. Sie wenden sich von der im Worte Gottes bekräftigten Wahrheit ab, dass das Ende aller Dinge nahe sei, weil sie so getäuscht worden sind. Alle, die vermessen einen bestimmten Zeitpunkt predigen, erfreuen dadurch den Feind der Seelen, denn sie fördern eher den Unglauben als das Christentum.“

Ausgewogenheit scheint mir an dieser Stelle ein wichtiges Schlagwort. Denn ja, diese Dinge sollen uns zum Nachdenken bringen.9 Die Katastrophen werden weiter zunehmen, das wurde vorausgesagt. Nur weiß keiner von uns, welche Ausmaße das Ganze noch annehmen wird!10 Vor diesem Hintergrund laufen wir als Adventisten Gefahr, dass wir immer wieder „Neues“ hören wollen. Etwas, wonach uns „die Ohren jucken“ und das wieder einen neuen Nervenkitzel hervorruft.11 Daniel 2 und 7 sowie Offenbarung 13 sind uns schließlich schon so wohlbekannt, dass die Verse „nichts Neues mehr“ bieten. Somit sind wir nicht selten versucht, immer wieder etwas auszugraben, was uns erneut „in Stimmung bringt“.

Endzeitzeichen werden in der Bibel nur grob geschildert

Grundsätzlich liefert uns die Bibel, genau wie Ellen White, lediglich grobe Leitlinien, die uns Orientierung geben sollen. Konkrete Daten oder Namen einzelner Personen werden nicht vorgegeben. Trotzdem ist es definitiv sinnvoll, immer wieder neu über das Gelesene zu reflektieren, um anhand der Informationen, die uns Gott gegeben hat, deuten zu können, wo wir im Verlauf der Weltgeschichte ungefähr stehen.

Aber welche Endzeitzeichen gibt es denn nun, die uns helfen, unseren Standort zu bestimmen? Ich greife hier einmal Offenbarung 13,11-18 zusammen mit einigen vertiefenden Gedanken von Ellen White heraus, weil der Text ein geschlossenes Bild der letzten Ereignisse vor der Wiederkunft Jesu Christi zeichnet. Dort wird zum einen beschrieben, dass eine Macht12 außerhalb der Völkerbewegungen Europas aufkommen wird, die wir Adventisten als die Vereinigten Staaten von Amerika identifizieren. Sie wird eine neue Weltordnung initiieren und bedient sich dabei hauptsächlich drei Methoden: Erstens wird es um eine Art von religiöser Verführung gehen. Das wird spätestens dann eindeutig klar, wenn es in Offenbarung 13,15 um die Frage der Anbetung des Tieres geht. Laut Vers 13 wird die besagte Macht Feuer vom Himmel fallen lassen. Feuer kann gemäß Bibel entweder Gericht bedeuten (1. Mose 19,24.25; Offb 20,9) oder als Nachweis für den wahren Gott dienen (1. Kö 18,21-24.37-39). An anderer Stelle, wie etwa in Apostelgeschichte 2,1-4, wird damit das Wirken des Heiligen Geistes dargestellt. Zweitens wird es einen Wirtschaftsboykott für alle geben, die nicht bereit sind anzubeten (Offb 13,16-17). Und drittens werden alle Verweigerer mit dem Tode bedroht (Offb 13,15).

Ellen White schreibt vertiefend dazu, dass die letzten Entwicklungen sehr schnell vonstatten gehen werden.13 Wie schnell sich Dinge tatsächlich entwickeln können, haben wir in der Coronakrise erlebt. Die Prophetin beschreibt zudem, dass die Ereignisse in den USA ihren Anfang nehmen, die Menschen jedoch irgendwann weltweit gezwungen sein werden, sich an die Vorgaben zu halten.14 Die religiöse Verführung würde vor allem durch die Dreiheit von Papsttum, Protestantismus und Spiritismus umgesetzt und vorangetrieben werden.15 Man werde die Sonntagsheiligung erzwingen und erst dann folge das Malzeichen des Tieres.16 Die Sonntagsgesetzgebung sei ein Zeichen für den Handschlag zwischen Protestantismus und Papsttum.17 Dieses ganze Geschehen um das Bild des Tieres liegt vor dem Abschluss der Gnadenzeit und werde zu einem Prüfstein für die Treue der Gemeinde Gottes.18

An dieser Stelle empfehle ich, sich zur aktuellen Standortbestimmung die folgenden Fragen zu stellen: Ist zur Zeit der Aufbau einer weltweiten religiösen Machtstruktur zu beobachten, die gemäß Offenbarung 13 andere zur Anbetung zwingt? Gibt es bereits aktive nationale oder internationale Sonntagsgesetze? Dürfen wir als gläubige Siebenten-Tags-Adventisten noch einkaufen gehen, oder greift ein Wirtschaftsboykott, um eine Einheitsreligion zu schaffen? Gibt es Todesandrohungen, wenn wir unseren eigenen Glauben ausleben wollen? Soweit ich das erkennen kann, ist dieses Szenario heute (2021) noch nicht Realität. Was jedoch aktuell sichtbar wird, ist unter anderem ein weltweit zunehmender Populismus19 sowie ökumenische Annäherungen und verstärkte Versuche, Bargeld abzuschaffen – was durchaus eine Vorbereitung des weltweiten Embargos darstellen könnte. Doch wirklich konkret ist, wie schon erwähnt, das Endzeitszenario aus Offenbarung 13 noch nicht. Und darüber hinaus kann keiner von uns sagen, wie lange die Endzeitwehen noch andauern und wie weit und schnell sie sich noch steigern werden.

Die weltweiten Entwicklungen im Auge zu behalten, ist sicher von Vorteil. Gleichzeitig ruft die Bibel dazu auf, nicht erst auf die allerletzten Zeichen zu warten, sondern bereits heute fest in der Nachfolge Jesu zu stehen. Wie die klugen Jungfrauen20 sollten wir mit Heiligem Geist erfüllt sein21, die Gebote Gottes halten22 und den Geist der Weissagung beachten. Dann werden auch wir bei denen sein, die Gottes Endzeitsiegel erhalten, und der Wiederkunft Christi mit Freude entgegengehen.

 
Quellen:

1 Mt 24,8
2 Lk 20-21 + 24
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Kriegen, Zugriff 02.07.2020
4 Manche Übersetzungen ergänzen Seuchen auch in Mt 24,7
5 Auch hier sind in Wikipedia Listen zu finden: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Epidemien_und_Pandemien; Zugriff 30.06.2020
6 Simon Hahnzog, Nicholas Christakis in: Der Traum von neuen goldenen Zwanzigern, Ludwigsburger Kreiszeitung, 14.01.2021, S. 16
Nicholas Christakis, MD PhD: Apollo's Arrow: The Profound and Enduring Impact of Coronavirus on the Way We Live, Little, Brown Spark; 1. Edition, Oktober 2020, S. 282-283
7 Spiegel-Gespräch mit Professor Volker Reinhardt, Epidemien locken die bösen Kräfte hervor, Der Spiegel Nr. 3/16.1.2021, S. 107 + 112
8 4T 307; 2SM 84; nach 1844 keinerlei zeitliche Festlegung mehr, FG 2, 74
9 19MR, 279 (1902)
10 1SAT, 109; 3MR, 208
11 2. Tim 4,3
12 Tier in der Bibel gleich Königreich, Reich, Macht. Siehe z.B. Dan 7,17
13 9T 11
14 6T 352.395; TM 37
15 Vom Schatten zum Licht, TB, S. 537 (2012)
16 Christus Kommt Bald, S. 159 (1994); vgl. Offb 13,16-18
17 5T 712
18 Christus Kommt Bald, S. 161 (1994)
19 Siehe z.B.: Anne Applebaum: Twilight of Democracy – The seductive Lure of Authoritarianism; Doubleday, New York, 2020; Michael Sauga, Bunga-Bunga-Zeitalter, Der Spiegel, 24.10.2020; S. 68-70
20 Mt 25,1-13
21 Eph 1,13-14; Vgl. die Texte Offb 14,7 (doxa; Gott ehren, verherrlichen); Joh. 15,8 (doxa) und Gal 5,22-23
22 Offb 12,17; 14,12; Vgl. Offb 14,7: Gott fürchten = vom Bösen Abstand nehmen (Spr 16,6; 5. Mo 5,29)

 

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