Ehe und Familie
Über Sex spricht man nicht! – Oder doch?
Wie Intimität im Beziehungsalltag dauerhaft gelingt
Spätestens wenn Kinder ins Spiel kommen, bleibt bei vielen Paaren die Intimität auf der Strecke. Häufig im kirchlichen Rahmen tabuisiert, ist körperliche Nähe natürlicherweise trotzdem ein wichtiger Teil unseres Lebens, den man in der Partnerschaft pflegen sollte. Wie das Zweifach-Mama Darleen Besmann im Alltag gelingt und was ihr nach neun Ehejahren dabei wichtig geworden ist – darüber berichtet sie hier.
Die Generation unserer Eltern lebte genau nach diesem Motto: Über gewisse Dinge, wie zum Beispiel Sex, redet man nicht. Und vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Doch angesichts der Tatsache, dass heute jede zweite bis dritte Ehe geschieden wird, ist es, denke ich, an der Zeit, offener über Beziehungs-Themen zu sprechen und zu hinterfragen, inwiefern Sexualität eine Rolle dabei spielt, dass Paare sich oft unbemerkt auseinanderleben und irgendwann ernüchtert feststellen, dass sie sich nicht mehr lieben.
In zwei Punkten sind wir uns wahrscheinlich alle einig: Sex und körperliche Anziehung sollten nie die alleinige Grundlage einer Beziehung sein – aber sie sind gottgewollt und sollen die Ehe bereichern! Denn allein schon der damit verbundene Oxytocin-Ausstoß wirkt wie ein Kleber, der zwei Liebende zusammenhält. Durch die alltäglichen Aufgaben kann mit der Zeit jedoch Frust und Unlust auf diesem Gebiet entstehen. Und kommt dann noch ein Baby ins Spiel, entsteht eine herausfordernde Dynamik. Für die Frau steht plötzlich das Kind im Mittelpunkt, das umsorgt werden will, und so werden der eigene Liebestank und das Bedürfnis nach Nähe oft schon durch die Zeit mit dem Baby gestillt. Außerdem wird man plötzlich zu Eltern, die sich nicht mehr nur um ihre eigenen Bedürfnisse kümmern können, sondern die tausend Dinge im Kopf haben, damit der Familienalltag funktioniert. Chronische Müdigkeit und Unzufriedenheit der Frau über den eigenen Körper nach der Schwangerschaft tun dann noch ihr Übriges. Wenn man nicht aufpasst, vermittelt man seinem Partner dadurch unbewusst den Eindruck, dass man keinen Kopf und keine Zeit für die Beziehung hat – was ja auch irgendwo stimmt, aber auf Dauer zu Problemen führen wird.
Mein Mann Elvis und ich sind mittlerweile neun Jahre zusammen, haben zwei Kinder und sind seit kurzem selbstständig. Wir wissen also, wie herausfordernd es manchmal im Alltag sein kann, Zeit füreinander zu finden. Aber es war uns von Anfang an wichtig, dass wir uns immer wieder direkt fragen, ob der andere gerade glücklich in der Beziehung ist oder welche Dinge er sich gerade wünscht oder vermisst. So können wir reagieren, bevor sich einer von uns diese Dinge von jemand anderem holt. Dabei spreche ich nicht nur davon, dass einer von uns körperlich fremdgeht, sondern auch darüber, dass man sich emotional jemand anderem öffnet und anvertraut. Denn genauso wie Fremdgehen schon vor dem Sex beginnt, ist auch für körperliche Intimität in der Beziehung emotionale Nähe eine wichtige Voraussetzung. Und die beginnt nun einmal mit Kommunikation.
Was bedeutet das praktisch für unsere Beziehung? In puncto Kommunikation versuche ich mich zum Beispiel nicht ständig nur zu beschweren, dass die schmutzigen Klamotten neben und nicht im Wäschekorb liegen. Stattdessen bedanke ich mich lieber dafür, dass mein Mann daran gedacht hat, den Müll rauszustellen oder dass er eine große Ladung Wäsche gebügelt hat. Denn manchmal hat man vielleicht nur das Gefühl, dass der Partner alles falsch macht, weil man schlichtweg all die Dinge übersieht oder für selbstverständlich hinnimmt, die gut gemacht wurden. Oder anstatt abends lediglich Organisatorisches zu besprechen, das Kinder, Arbeit oder Haushalt betrifft, nehmen wir uns Zeit, um uns einfach mal wieder richtig miteinander zu unterhalten – zum Beispiel darüber, was uns gerade beschäftigt oder wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Oder wir hören gemeinsam ein Hörbuch an und kommen anschließend darüber ins Gespräch.
Ein weiterer Aspekt, der bei vielen Paaren häufig zum Intimitäts-Killer wird, ist der, dass man sich im Alltag körperlich nicht mehr so nah ist. Im Gottesdienst sitzt man rechts und links neben den Kindern statt nebeneinander, beim Spazieren gehen läuft man nicht mehr Arm in Arm, sondern Kind auf Arm und Kinderwagen voran. Das verstärkt natürlich die Barriere, miteinander körperlich intim zu werden. Deshalb ist es für Elvis und mich mittlerweile so wichtig, uns zur Begrüßung und zur Verabschiedung zu küssen, auch wenn wir nur kurz die Kinder zur Kita bringen. Im Arm des anderen zu liegen, während wir beten, und auch sonst Möglichkeiten im Alltag zu nutzen, um immer wieder die Nähe des anderen zu suchen. Anstatt dass Elvis zum Beispiel die Garage aufräumt, während ich im Wohnzimmer die Wäsche zusammenlege, machen wir lieber beides gemeinsam und unterhalten uns währenddessen und genießen einfach die Gemeinschaft des anderen. Und manchmal sind wir auch einfach gern „gemeinsam einsam“. Wenn wir keine Energie mehr haben, um uns qualitativ miteinander zu beschäftigen, liegen wir einfach aneinander gekuschelt, während der eine sein Handy in der Hand hat und der andere ein Buch liest.
Am Ende ist es erfahrungsgemäß einfach eine Frage der Prioritäten. Denn wenn ich die Zeit mit meinem Partner immer ans Ende meiner To-Do-Liste stelle, kann es schnell passieren, dass man als Paar nur noch alle paar Monate oder lediglich zu besonderen Anlässen miteinander intim wird, weil man gerade als Eltern eine gefühlt endlose Liste von Aufgaben vor sich herschiebt. Dabei ist es doch eigentlich egal, ob die Wäsche noch einen Tag länger herumsteht oder die Küche aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen! Vielleicht ist es eher an der Zeit, eine To-Do-Liste der anderen Art anzulegen und aufzuschreiben, was man sich sexuell vom Partner wünscht oder was man gerne mal ausprobieren würde. Die kann man dann einander zeigen und darüber reden. Denn über Sex sollte man sprechen – besonders in der Partnerschaft!
Aus eigener Erfahrung möchte ich daher mit diesem Beitrag andere Paare ermutigen, jede Möglichkeit zu nutzen, sich gegenseitig Zuneigung zu zeigen! Wir sollten unser Eheleben nicht auf später verschieben, sondern die Bedürfnisse unseres Partners ernst nehmen! Mit dem Eheversprechen hat man schließlich das Privileg erhalten, als einzige Person in dieser Art für den Partner zu sorgen, wenn es um die emotionalen, physischen und sexuellen Bedürfnisse geht. Und wenn sich beide dieser Verantwortung für den anderen bewusst sind und sich darum bemühen, die emotionale und körperliche Verbindung nicht abreißen zu lassen, ist die Beziehung alles andere als eine schwere Bürde, die man zu tragen hat. Anstatt einem den letzten Nerv zu rauben, wird sie dann vielmehr zur Oase, bei der man wieder auftanken kann und die einem Halt und Zuflucht bietet.