24/7

Vergebung
24/7

Gnade zu jeder Zeit

Leicht irritiert las ich das Schildchen, das vor dem Beichtstuhl im hohen Dom angebracht war: „Beichtgelegenheit dienstags 16.00-18.00 Uhr“. Dahinter stand der Name des Beichtvaters, eines bekannten Priesters an diesem Ort.

Eine Information wie diese stimmte mich nachdenklich: Sollte es unter den mehreren tausend Gläubigen, die zu diesem Kirchensprengel zählten, wirklich so wenige Sünder geben, dass zwei Stunden pro Woche ausreichten, um alle ihre Verfehlungen im Beichtstuhl zu bekennen und dadurch – nach Lehre der katholischen Kirche – Vergebung zu erlangen? Oder war vielleicht das Schuldbewusstsein der allermeisten Personen auf den Mitgliederlisten dieser Kirche derart gering, dass es höchstens einige wenige Personen waren, die überhaupt das Bedürfnis verspürten, zur Beichte zu gehen? Und was machte wohl jemand, wenn ihm zwar seine Schuld vor Augen stand, wenn sie ihm vielleicht sogar schlaflose Nächte bereitete, er aber bis Dienstag warten musste, um Absolution (Lossprechung von Sünde, Vergebung) zu erhalten?

Immer verfügbar

Als moderne Menschen haben wir uns längst daran gewöhnt, dass alle wichtigen und lebensnotwendigen Dienstleistungen „24/7“ (englisch ausgesprochen „twentyfourseven“) zur Verfügung stehen, d.h. an allen sieben Tagen der Woche 24 Stunden lang: Notarzt, Krankentransport, Feuerwehr, Polizei. Sogar manche großen Einkaufsparadiese sind dazu übergegangen, 24 Stunden lang geöffnet zu bleiben. Auch wenn ich mir kaum vorstellen kann, dass in den späten Nachtstunden ein Ansturm an Kunden zu erwarten ist. Dennoch halten diese Geschäfte ihre Türen immer geöffnet und ihr Angebot stets bereit.  

Was uns heute als zivilisatorischer Fortschritt unserer Neuzeit erscheint, ist jedoch so neu nicht. Denn lange ehe eine umsatzbesessene und konsumorientierte Gesellschaft die 24/7-Masche entdeckte, war das Prinzip der immerwährenden Verfügbarkeit schon bekannt: In der Einsamkeit der Wüste, ob tagsüber unter den sengenden Strahlen der Sonne oder in den kalten, sternklaren Nächten, lehrte Jahwe sein Volk die unaufhörliche Fürsorge und immerwährende Gnade ihres Gottes verstehen. Sichtbaren Ausdruck fand diese Liebe in den zwei Zeichen, die jederzeit und von überall her im ganzen Lager Israels gesehen werden konnten: die hoch aufragende Wolken- und Feuersäule über dem Allerheiligsten der Stiftshütte und der Rauch, der ständig vom Brandopferaltar aufstieg. Denn auch dort durfte das Feuer nie verlöschen. Jeden Morgen und jeden Abend wurde an der Stelle das Tamid, so hieß das tägliche Opfer damals, dargebracht. „Und dies sollst du auf dem Altar tun: Zwei einjährige Schafe sollst du an jedem Tag darauf opfern, ein Schaf am Morgen, das andere am Abend.“ (2. Mose 29,38.39) „Das Brandopfer soll bleiben auf dem Herd des Altars und es soll des Altars Feuer brennend darauf erhalten werden. [...] Ständig soll das Feuer auf dem Altar brennen und nie verlöschen.“ (3. Mose 6,2.6.)

Priesterdienst bestand also nicht allein aus der gewiss nicht leichten Arbeit, die zahlreichen Opfer eines Tages zuzurichten, sondern schloss zuweilen auch Nachtarbeit mit ein, wenn die priesterliche Nachtschicht mit Müdigkeit und Langeweile zu kämpfen hatte. Aber an Einschlafen war unter keinen Umständen zu denken. Das Feuer musste ja unterhalten, das Opfer bis zum Morgen brennend erhalten werden. Vielleicht sangen die Diener am Altar, um wach zu bleiben, ein nächtliches Loblied im Tempel (Ps 134,1): „Wohlan, lobet den Herrn, alle Knechte des Herrn, die ihr steht des Nachts im Hause des Herrn.“

Jedenfalls brauchte kein gläubiger Israelit, dem der Heilige Geist seine Sündenschuld vor Augen geführt hatte, lange Nachtstunden wach zu liegen und zu warten, bis er endlich Vergebung finden konnte. Es war ihm jederzeit möglich, mit seinem Opfer zum Altar, dem Ort der vergebenden Gnade, zu kommen, und danach gerechtfertigt in sein Zelt zurückzukehren – den Frieden erlassener Schuld in seinem Herzen. Solch ein nächtliches Opfer kostete ihn auch keinen zusätzlichen Nachtzuschlag, also nicht mehr, als wenn er es tagsüber gebracht hätte. Denn das Tamid war Gottes 24/7-Zusicherung und sein Angebot an den bußfertigen Menschen, dass Gott zu jeder Zeit vergebungsbereit ist.

Vergebung – die einzige Antwort

Auf dem Brandopferaltar brennt heute zwar kein Feuer mehr. Dieses priesterliche Werk im irdischen Heiligtum ist seit dem Jahre 70, als der Tempel in Jerusalem in Flammen aufging, nicht mehr möglich, ja es ist seit dem Tod des wahren Opfers am Kreuz auf Golgatha auch nicht mehr nötig. Der Dienst unseres wahren Hohenpriesters hat jedoch noch keinen Abschluss gefunden. „Daher kann er auch für immer selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt für immer und bittet für sie.“ (Hebr 7,25) Wer also mit einem belasteten Gewissen und mit einem von Reue bewegten Herzen im Glauben ins himmlische Heiligtum eintreten will, weiß ganz sicher, dass er dort nie verschlossene Türen oder einen Hinweis finden wird: „Wegen Reinigungsarbeiten vorübergehend geschlossen. Versuchen Sie es später noch einmal!“ Das Tamid des Neuen Bundes heißt: „Er lebt für immer, um bei Gott für sie einzutreten.“ (Hebr 7,25; GNB) Die Gnade Jesu ist nie vergriffen und sie ist jederzeit erhältlich.

Dies ist auch bitter nötig. Denn es gehört zum Wesen der Schuld, sich als Last auf dem Gewissen des Menschen bemerkbar zu machen, so bald sie ihm bewusst wird. Und es gehört auch zu den Auswirkungen der Sünde, ihn unruhig zu machen. „Die Gottlosen haben keinen Frieden, spricht mein Gott.“ (Jes 57,21) Der Irrtum, zu meinen, dass meine Schuld nach und nach schon noch besser wird, wenn erst Gras über die Sache gewachsen ist, ist leider auch in christlichen Kreisen nicht unbekannt. Denn die Voraussetzungen für die Vergebung sind uns unangenehm: Eingeständnis meiner Sünde und Betrübnis über die Sünde.

Sogar David bekannte: „Denn da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird.“ (Ps 32,3.4) Häufig ist Sünde die Ursache für rastlose Aktivitäten und Hektik in Beruf und Freizeit, oft stört sie sogar die Ruhe der Nacht und raubt den Schlaf. Der Zusammenhang zwischen Seele und Körper ist zwar hinlänglich bekannt (psycho-somatisch bedingte Beschwerden scheinen mehr und mehr überhand zu nehmen), doch kein Medikament ist in der Lage, diese Krankheit dauerhaft zu heilen, mit der wir als Menschen alle infiziert sind. Es gibt nur ein einziges Mittel dagegen: Es ist die Liebe unseres Herrn Jesus Christus, die in seinem Opfertod für uns manifest wurde. Vergebung ist die einzig brauchbare Antwort auf das Problem der Sünde.

Wann immer das Wirken des Geistes Gottes unser Gewissen erweckt und uns einer Sünde überführt, dann „lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“ (Hebr 4,16)  Und zwar jetzt, sogleich, nicht erst zur Abendandacht, am kommenden Sabbat oder am nächsten Dienstag zwischen 16.00 und 18.00 Uhr.   

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