Homestory
Zu Hause bei Nancy Wilson
Einblicke in das Leben der Präsidentenfamilie
Als Ted bei der Generalkonferenzsitzung im Jahr 2010 zum Präsidenten der weltweiten Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten gewählt wurde, hatte ich keine Ahnung davon, wie sehr sich mein Leben verändern würde. Ich bin eigentlich von Beruf Physiotherapeutin und hatte seit Jahren in Teilzeit gearbeitet. Vor der GK-Sitzung in Atlanta (USA) hatte ich meinen Mann vielleicht ein Mal im Jahr dank dem Reisekostenzuschuss für Ehefrauen bei Auslandsreisen begleitet. Doch ungefähr zwei bis drei Wochen nachdem wir wieder zu Hause in Maryland (USA) angekommen waren, fragte mich die Personalabteilung der GK, ob ich nicht bereit wäre, Ted praktisch bei allen seinen Reisen zu begleiten. Zu der Zeit erwarteten alle unsere drei Töchter ein Kind. Deshalb erklärte ich, dass die Familie für mich an erster Stelle stehe und ich Ted nicht begleiten könnte, wann immer eine unserer Töchter ein Baby bekommen würde. Die Personalabteilung hatte Verständnis für meine Prioritäten – und mittlerweile haben uns unsere drei verheirateten Töchter mit zehn Enkelkindern beschenkt, davon fünf Mädchen und fünf Jungs. Der Köcher ist voll und wir fühlen uns mehr als gesegnet!
Bei den vielen Reisen, die ungefähr zwei Drittel unserer Zeit einnehmen, besteht meine Aufgabe darin, Ted zu unterstützen und mich mit anderen Frauen in Leitungspositionen unserer Freikirche sowie mit Missionsdiensten für Frauen zu treffen und sie zu ermutigen. Im Grunde genommen geht es darum, Bekanntschaft mit den Leuten zu schließen, um einen Einblick in ihr Leben zu bekommen und zu erfahren, welche Bedürfnisse sie haben. So können wir besser verstehen, wie die Gemeinde ihnen helfen kann. In Wirklichkeit werden wir auf unseren Reisen am meisten gesegnet, weil wir sehen, wie Gott im Leben von Menschen auf der ganzen Welt wirkt. Jedes Mal sind wir begeistert und inspiriert, wenn wir nach Hause kommen!
Ein ganz normaler Tag
Jeder Tag beginnt zur Zeit damit, dass ich die Bibel abschnittsweise studiere wie das Projekt „Revival and Reformation“* (Erweckung und Reformation) es vorschlägt. Dazu lese ich Auszüge aus Büchern von Ellen White in etwas schnellerem Tempo als bei dem Leseplan von „Glaubt seinen Propheten” vorgegeben. Außerdem verbringe ich Zeit mit Gott im Gebet, übergebe ihm dabei den Tag und gehe meine Gebetsliste durch. Mit meinem Herrn im Gespräch zu sein, ist eine wichtige und wertvolle Zeit für mich, denn ich habe erlebt, dass es einen Unterschied in unserem und im Leben derer macht, für die wir beten.
Manchmal, wenn es das Wetter erlaubt, nutze ich den Vorteil, dass wir auf dem Land leben. Dann liebe ich es, draußen zu sein, einen Spaziergang zu machen oder im Garten zu arbeiten.
Doch eigentlich – wenn ich so darüber nachdenke – gibt es keinen „ganz normalen Tag“. Meistens kommen wir von einer Reise nach Hause, packen aus, waschen Wäsche, verbringen ein wenig Zeit mit der Familie und bereiten uns schon wieder auf die nächste Reise vor. Außerdem arbeiten wir an bevorstehenden Ansprachen und Artikeln oder planen die nächste Feier der Personalabteilung bei uns zu Hause, um neuen Mitarbeitern der Generalkonferenz die Umstellung auf ein neues Land, eine neue Kultur und einen neuen Job so angenehm wie möglich zu gestalten.
Wenn wir nicht auf Reisen sind
Zeit mit der Familie zu verbringen ist für uns das größte Highlight. Da zwei unserer Töchter mit Pastoren verheiratet sind und acht beziehungsweise zehn Stunden mit dem Auto entfernt wohnen, haben wir am häufigsten die Möglichkeit, unsere jüngste Tochter Catherine mit ihrer Familie zu treffen. Sie lebt ungefähr eine Stunde von uns entfernt. Wir lieben es außerdem, draußen zu arbeiten, den Garten zu pflegen, Holz zu hacken (das macht Ted!) und zu lesen. Auch lange Wanderungen in den Appalachen oder den Rocky Mountains genießen wir in vollen Zügen – die Schweizer Alpen und vor allem das Berner Oberland haben es uns übrigens besonders angetan. Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, sich Zeiten einzuplanen, in denen man abschalten und sich als Ehepaar zurückziehen kann. Deshalb mieten wir uns jedes Jahr im Herbst ein Ferienhäuschen am See „Lake Sunapee“, wo wir vor vierzig Jahren bereits unsere Flitterwochen verbrachten. Diese Zeit hat für uns oberste Priorität!
Wenn alle unsere Kinder und Enkel zu uns nach Hause kommen, was mindestens zwei Mal im Jahr der Fall ist, spielen wir im Freien, machen ein Lagerfeuer im Wald unten am Fluss und lesen oder erzählen unseren Enkelkindern Geschichten. Da unsere Nachbarn Pferde haben, ist unsere gemeinsame Lieblingsbeschäftigung, die Tiere mit Karotten zu füttern. Manchmal wandern wir auch gemeinsam, gehen schwimmen oder Fahrrad fahren. Im Winter verbringen wir bei gegenseitigen Besuchen die meiste Zeit zusammen vor dem Kamin.
Der wichtigste Job der Welt
Da meine eigene Mutter in diesem Punkt ein ausgezeichnetes Vorbild für mich war, habe ich das Dasein als Mama immer als den wichtigsten Job der Welt angesehen – und ich liebte jede (fast jede!) Minute dabei. Es ist solch ein Vorrecht ebenso wie eine heilige Verantwortung, den Charakter unserer Kleinen zu prägen und zu formen. Auch wenn die ersten und wichtigsten Jahre vorüber sind, ist unsere Arbeit niemals vorbei – auch nicht, wenn unsere Kinder erwachsen werden und ein eigenes Zuhause gründen. Von Jochebet, der Mutter von Mose, lesen wir in Patriarchen und Propheten (PP 222.3): „Wie weitreichend in seinen Folgen war doch der Einfluss dieser einen hebräischen Frau, einer Verbannten und Sklavin! Moses künftiges Leben, sein großer Auftrag, den er als Führer Israels erfüllte, bezeugen den Wert einer gottesfürchtigen Mutter. Es gibt nichts, das ihm zu vergleichen wäre. Eine Mutter hält in hohem Maße das Schicksal ihrer Kinder in den Händen. Sie kümmert sich um die geistige und charakterliche Entwicklung und wirkt damit nicht nur für diese Zeit, sondern für die Ewigkeit.“
Unseren Kindern beizubringen, dass Jesus ihr bester Freund ist, dass er jemand ist, mit dem sie jederzeit über alles, was sie gedanklich und im Herzen bewegt, reden und sich dabei wegen seiner bedingungslosen Liebe zu ihnen sicher fühlen können – all diese Dinge müssen wir in den jungen Herzen unserer Kinder pflanzen. Nur so werden sie erkennen, dass Gott einen besonderen Plan für ihr Leben hat und sie Tag für Tag führt. Sie sollten ohne Zweifel wissen, dass er ihre Sünden vergibt und ihnen Kraft schenkt, um ihm immer ähnlicher zu werden. Nur Gott kann uns die Weisheit und Stärke geben, um Mütter nach seiner Vorstellung zu sein. Er wird uns auch vergeben, wenn wir zeitweise stolpern und Fehler machen in unserer Aufgabe als Mama. Ich musste meine Mädchen mehr als ein Mal in der Vergangenheit um Vergebung bitten.
Was mich näher zu Christus brachte
Wenn ich zurückdenke, kann ich mich an drei voneinander unabhängige Erfahrungen erinnern, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie meine Beziehung zum Herrn vertieft haben.
Bei der ersten erinnere ich mich an die schmerzliche Erfahrung, als mein Vater krank wurde und kurz darauf verstarb. Wir waren zu der Zeit in Afrika, um der Gemeinde dort zu dienen, kamen aber zu bestimmten Treffen immer wieder nach Hause in die USA. Ich verehrte meinen Vater fast schon und hatte mehr als ein Mal an die Zukunft gedacht und mich gefragt, wie ich damit zurechtkäme, wenn ihm etwas zustoßen würde. Er lebte die Gesundheitsbotschaft und gab sie als Arzt auch an seine Patienten weiter. Umso erschütternder war es für uns als Familie, aber auch für seine Patienten, auf deren Leben er einen solch positiven Einfluss gehabt hatte, von seiner starken Gehirnblutung zu erfahren. Drei Wochen lang lag er im Koma, bevor er verstarb. Und was ich in dieser Zeit lernte, war, dass Gott uns niemals die nötige Stärke gibt, bis wir sie wirklich brauchen! Seine tröstende Gegenwart war für mich spürbar, und während dieser qualvollen Tage, sahen wir Gottes Hand in großen wie in kleinen Dingen. Es wurde wirklich zu einer geistlichen Erfahrung für mich, zu sehen, wie Gott uns auf wunderbare Weise zeigte, dass er bei uns war, uns aufrecht hielt und uns den Trost gab, den wir so sehr brauchten.
Wir wussten genau, dass Daddy bereit war, zu sterben. Ihn zu verlieren, machte jeden von uns entschlossen, Gott treu zu bleiben und nach vorne zu schauen auf eine Ewigkeit mit dem Herrn – und mit meinem geliebten Vater.
Das zweite Erlebnis betrifft die Zeit, als wir 1992 den Ruf der Euro-Asien-Division annahmen. Während den ersten Jahren nach der Perestroika in der russischen Hauptstadt Moskau zu leben, war ziemlich hart. Ich musste nach Nahrungsmitteln förmlich suchen und dann an langen Schlangen anstehen in der Hoffnung, dass das Produkt, das ich zu kaufen hoffte, immer noch da war, wenn ich drankam. Auch die Mafia war zu der Zeit sehr aktiv. In der Tat hatten wir auch persönlich ein paar Begegnungen, als zum Beispiel die Klinik in Moskau, in der ich damals arbeitete, von der Mafia bedroht wurde. Vier Monate nach unserer Ankunft in Moskau gab es außerdem einen Putschversuch. Ted war gerade in Indien zu einem jährlichen Ratstreffen, sodass ich mit meinen drei Töchtern alleine zu Hause war. Es war eine sehr angespannte Zeit. Man kann sagen, dass wir jeden Tag mit dem großen Kampf konfrontiert waren, was uns wiederum unsere völlige Abhängigkeit von Gott ins Bewusstsein rief. Das machte es zu einer so kostbaren Erfahrung. Und natürlich kümmerten sich unsere Geschwister liebevoll um uns.
Die dritte Erfahrung, die mich und meine Familie näher zu Gott brachte, war den Kummer zu erleben, als bei einem unserer Enkelsöhne ein Neuroblastom (eine Krebserkrankung im Kindesalter) und bei einem anderen Enkel die Alexander-Krankheit diagnostiziert wurde. Letztere ist eine genetisch bedingte Störung, bei der eine fortschreitende Rückbildung der weißen Substanz von Gehirn und Rückenmark auftritt und in den meisten Fällen zum Tod führt. Während solcher Zeiten der persönlichen Tragödie schreien wir zum Herrn. Und diese Erfahrungen können uns entweder in eine engere und schönere Beziehung mit ihm ziehen, oder sie können uns verbittert werden lassen. Gott hat uns seine Vertrauenswürdigkeit und bedingungslose Liebe auf unzählige Weise demonstriert, und trotzdem ist es nur ein kleiner Einblick in die Tiefe seiner unergründlichen Liebe zu uns. Wir haben allen Grund, ihm zu vertrauen. Schließlich sind wir inmitten eines großen Kampfes, der um uns herum tobt, doch glücklicherweise wissen wir, wie er am Ende ausgehen wird. Gottes Pläne für Edward und James, meiner beiden Enkelkinder, werden sich erfüllen – wenn nicht auf dieser Erde, dann darüber hinaus in der Ewigkeit! Diese Erfahrung hat uns als Familie gelehrt, sich auf die unsichtbare Wirklichkeit zu konzentrieren, die weitaus großartiger und wervoller ist als unsere gegenwärtige Realität, in der wir leben. Lasst uns Gott loben und anbeten, von dem alle Segnungen kommen; wir haben so viel, auf das wir uns freuen dürfen!
Um in Momenten wie diesen auf Gott zu vertrauen, ist es zu meinem größten Anliegen geworden, nah bei ihm zu bleiben, um seine beständige Gegenwart in meinem Leben zu spüren. Nur so kann ich, egal in welchen Umständen ich mich befinde, alles durch Gottes Augen sehen. Ich sehne mich nach Gottes Perspektive und danach, dieselbe bedingungslose Liebe für Menschen zu haben – so zu fühlen und zu denken wie er, sodass meine Worte, mein Blick und meine Taten seine Liebe wiederspiegeln. Ich versage immer wieder darin, doch das ist mein Ziel! Deshalb ist mir der Bibelvers in Jesaja 26,3 besonders wichtig geworden, wo steht: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich auf dich.“ Wenn ich mich Gott völlig übergeben habe, kann ich diesen vollkommenen Frieden erleben, ungeachtet der Umstände, in denen ich mich gerade befinde. Dieser Friede kommt nur von ihm.
Der Kern
Seit fünfeinhalb Jahren sind wir nun schon auf der ganzen Welt umhergereist. Ja, die Kulturen und Sprachen sind extrem unterschiedlich, doch der Kern im Inneren der Menschen ist der gleiche. Sie sind zuvorkommend und gastfreundlich, darum bemüht, neue Freundschaften zu schließen, und sie lieben Kinder. Sie erleben genauso die Folgen der Sünde wie wir, was ihnen wiederum zu erkennen hilft, dass sie eine höhere Macht in ihrem Leben brauchen.
Die einzige Antwort darauf ist Gott. Und das ist es auch, worum sich unser Auftrag dreht: Gottes bedingungslose Liebe und Vergebung für diese Menschen und seinen wundervollen Errettungsplan für jeden einzelnen von ihnen zu teilen. Ihnen Hoffnung zu geben auf eine strahlende Zukunft, die eine Ewigkeit lang anhält.
Gott braucht dich und mich
Gott hat jeden einzelnen von uns berufen, andere mit der Guten Nachricht des Evangeliums zu erreichen. Er ist ein sehr kreativer Gott, der jeden von uns anders und einzigartig geschaffen hat – mit verschiedenen Persönlichkeiten und Gaben. Er braucht jeden einzelnen von uns, um mit ihm zusammenzuarbeiten und die Welt mit der Nachricht von seiner rettenden Gnade zu erreichen. Sogar kleine Kinder können lernen, Missionare zu sein. Sie können Bilder zeichnen und anmalen, um sie einem erkrankten Nachbar zu schenken, sie können den Nachbarshund ausführen, dabei helfen, auf ein Geschwisterchen aufzupassen. Es gibt für Gemeindeglieder jeden Alters unendlich viele Möglichkeiten, sich zu engagieren und sich von Jesus in seinem Werk gebrauchen zu lassen.
Lasst uns dieses eine Ziel, das wir alle als weltweite Familie haben, nicht aus den Augen verlieren, sondern die Chance ergreifen und zu einem Werkzeug in Gottes Hand werden.
*www.revivalandreformation.org/bhp/de