Familie
Pubertät – Der offene Dialog
Ehe und Familie
Es ist nicht immer leicht, eine gute Kommunikation aufrechtzuerhalten, wenn Jugendliche im Zuge der Pubertät anfangen zu rebellieren und Konflikte sich zu häufen scheinen. Wie Eltern es in dieser Lebensphase der Veränderungen und neuen Rollenfindungen trotzdem schaffen können, gewinnbringend mit ihrem Kind zu interagieren und eine wertschätzende Gesprächsatmosphäre aufrechtzuerhalten, um es auf seinem Weg zu einem eigenverantwortlichen Leben bestmöglich zu begleiten – das berichtet die Erziehungswissenschaftlerin und Mutter zweier Teenager, Caroline Naumann, hier im zweiten Teil ihrer Artikelserie.
„Man kann nicht nicht kommunizieren“, lautet ein bekanntes Zitat von Paul Watzlawick, welches mir sehr wichtig geworden ist. Egal, ob in meiner Rolle als Mutter, Ehefrau, Freundin, Gemeindeglied oder als Internatsleiterin am Schulzentrum Marienhöhe. Dieses Zitat beinhaltet die Tatsache, dass wir, egal ob wir uns verbal miteinander austauschen oder nicht, aufgrund der Körpersprache und Haltung, die wir anderen Menschen gegenüber ausstrahlen, unserem Gegenüber immer etwas kommunizieren. Dieses Bewusstsein ist aus meiner Sicht die Grundlage für das Thema des offenen Dialogs und des aktiven Zuhörens, wenn wir uns mit unseren Jugendlichen zuhause, in der Schule oder in der Gemeinde auseinandersetzen, um miteinander in einen konstruktiven und gewinnbringenden Austausch zu treten. Mit dieser Art des Dialogs findet auch das Thema der Partizipation Eingang.
Aus eigener Erfahrung und Gesprächen mit vielen Eltern weiß ich, dass eines der häufigsten Themen, die zuhause immer wieder zur Sprache kommen, das Thema der Regeleinhaltung bzw. der Nichteinhaltung von Regeln ist. Sinnvoll und gewinnbringend für beide Seiten (Eltern und Jugendliche) wäre es deshalb, einen offenen Dialog darüber zu führen, welche Regeln in welcher Form wann eingehalten werden sollten oder müssen und wann man sich wieder zusammensetzt, um schon bestehende „Agreements“ (Vereinbarungen) zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern oder anzupassen.
In einem solchen Dialog können Eltern und/oder Jugendliche ihre Vorschläge zu eventuell notwendigen Regelungen einbringen und dann entweder direkt in einen Austausch miteinander treten oder vereinbaren, dass beide Parteien zuerst einmal in Ruhe darüber nachdenken und später ein weiteres Gespräch vereinbart wird. Dabei können im Bedarfsfall auch Gegenvorschläge eingebracht und besprochen werden und finale Regelungen zusammen festgehalten werden. Bei diesem Prozess der Partizipation geht es sowohl darum, die im letzten Artikel genannte Beziehung auf Augenhöhe zu stärken, als auch darum, seinem Kind Vertrauen in Bezug auf die eigene Selbsteinschätzung zu schenken. Darüber hinaus wird durch dieses Vorgehen die Eigenverantwortung der Jugendlichen gestärkt und die Zuverlässigkeit hinsichtlich der Regeleinhaltung deutlich erhöht.
Als kleine Hilfestellung für solche Gespräche kann man die Technik des „Aktiven Zuhörens“ gut anwenden, welche die folgenden drei wesentlichen Merkmale beinhaltet:
- Während des Gesprächs Gefühle spiegeln, die man wahrnimmt, um zu klären, ob man sein Gegenüber richtig verstanden hat.
- Weiterführende (offene) Fragen stellen, um dem Gegenüber Raum zu geben. Es werden dabei keine Antwortmöglichkeiten impliziert oder suggeriert, sondern ermöglicht, Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen, ohne sie zu bewerten.
- Zusammenfassung des Gehörten und Besprochenen, um zu klären, ob ein gemeinsames Verständnis für einen zuvor gefundenen Konsens herrscht.
Ideal ist es, wenn man zu Beginn des Gesprächs zusammen vereinbaren kann, auf folgende Punkte gemeinsam zu achten (es hilft aber auch schon, wenn sich eine Partei diese Punkte in Erinnerung ruft):
- Man bringt die Bereitschaft mit, sich in seinen Gesprächspartner hineinzuversetzen und geht mit einer wertschätzenden Grundhaltung und Respekt für das Gegenüber in das Gespräch (Offenheit)
- Man bringt die Bereitschaft mit, sich und seine eigenen Bedürfnisse während des Gesprächs ab und an zurückzunehmen, mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten (Engagement)
- Man bemüht sich darum, seinem Gegenüber auch körperlich Offenheit zu signalisieren (Mimik und Gestik)
- Man bemüht sich, sich voll und ganz auf das Gespräch zu konzentrieren und Störungen zu minimieren (keine Handys in der Zeit)
- Man hat das ehrliche Anliegen, sein Gegenüber verstehen zu wollen sowie Gefühle und Intentionen gemeinsam zu ergründen (ehrliches Interesse, ohne zu bewerten oder zu beurteilen)
Die Alternativen zu einem solchen offenen, partizipativen Dialog sind meist nicht erstrebenswert. Entweder beugt sich die/der Jugendliche vordergründig der Regelung, macht dann aber im Rahmen eines Doppellebens dennoch, was sie/er möchte, oder aber es findet ein andauernder Streit zwischen Eltern und Jugendlichen, im Sinne eines Machtkampfes, statt. Auch das führt in der Regel nicht zum gewünschten Ergebnis, sondern eher dazu, dass die Eltern-Kind-Beziehung stark leidet und sich damit nach und nach eine gute Basis für erfolgversprechende Gespräche verringert.
Daher möchte ich uns alle ermutigen, mit unseren Kindern offene Gespräche auf Augenhöhe zu führen, die unsere Beziehung stärken und alle Sichtweisen mit einbeziehen, um einen Konsens finden zu können, der für alle erstrebenswert ist.
Ausblick für das nächste Mal:
Pubertät Teil 3 – Vertrauen und Verantwortlichkeit