Für den Ernstfall vorbereitet sein

Vorsorge
Für den Ernstfall vorbereitet sein

Warum Vorsorge treffen nicht nur in Corona-Zeiten Sinn macht

Als Christen sind wir der Überzeugung, dass unsere Werte und Wünsche bis zuletzt respektiert werden. Was aber, wenn wir uns in einer lebensbedrohlichen Situation befinden und unseren Willen nicht mehr äußern können? Damit Angehörige es in einem solchen Ernstfall leichter haben, können wir Vorsorge treffen. Warum das sinnvoll ist und inwiefern die Freikirche der Adventisten in Deutschland dahingehend ihr Angebot ausgebaut hat – dazu mehr von Rechtsanwalt Andreas Huber.

Wer hätte gedacht, dass dieses Jahr bereits so turbulent anfangen würde! Gleich zu Beginn des Januars rief mich ein Glaubensbruder an. Seine Frau liege auf der Intensivstation im künstlichen Koma, sei an Corona schwer erkrankt. Die Ärzte gäben ihm fast keine Informationen, da er keine Vorsorgevollmacht habe. Zudem hätten die Mediziner ihm mitgeteilt, dass seine Frau nur mit einer Art „künstlichen Lunge“ (einer sogenannten ECMO) überleben werde; diese sei aber in der Klinik nicht vorhanden. Sie müsse also so schnell wie möglich in die Universitätsklinik Heidelberg verlegt werden. Da es eine Notfallmaßnahme sei, konnte diese zum Glück ohne Vollmacht des Ehemannes durchgeführt werden. Eine bange Zeit des Betens und Fastens folgte. Da der Zustand der Glaubensschwester auch in Heidelberg weiter kritisch blieb und sie immer noch im Koma lag, wollten die dortigen Ärzte operative Maßnahmen einleiten. Das ging allerdings nur mit Zustimmung eines Bevollmächtigten. Da keine Vorsorgevollmacht vorhanden war, wandte ich mich wenige Tage später an die Klinik und erteilte – mit Vollmacht des Ehemannes, aber ohne Vollmacht der Ehefrau – die Zustimmung zu einem operativen Eingriff, mit der Bitte, meine Daten dem Betreuungsgericht weiterzuleiten. Drei Tage später rief mich eine Betreuungsrichterin aus Heidelberg an; sie wolle sofort wegen der Operation einen Berufsbetreuer bestellen, denn ohne Vorsorgevollmacht dürfe weder der Ehemann noch ich entscheiden. Ich bat sie, mich als Betreuer zu bestellen, da ich ein Betreuungsbüro habe. Als Referenz nannte ich ihr den Direktor „meines“ Amtsgerichtes. Einen Tag später erließ sie den Beschluss zu meiner Betreuerbestellung; am nächsten Tag erfolgte dann der längst notwendige operative Eingriff.

Diesmal ging alles nochmal gut
Anschließend konnte die Glaubensschwester wieder auf eine Intensivstation nach Karlsruhe verlegt werden, weil in dieser Klinik auch ein adventistischer Arzt arbeitet. Zur Zeit des Schreibens dieses Artikels ist sie wieder zu Hause angekommen und wartet auf einen Reha-Aufenthalt, um das Atmen weiter neu zu lernen. Da der Ehemann mit mir in ständigem Kontakt war und großes gegenseitiges Vertrauen herrschte, konnten alle Wünsche der Familie umgesetzt werden. Das hätte mit einem unbekannten Betreuer aber auch anders sein können. So hörte ich zum Beispiel vor nicht langer Zeit von einem Ehemann einer Glaubensschwester, dem ein unbekannter Betreuer bestellt worden war. Der hatte den Ehemann nach einem Schlaganfall nicht nur in einer weit entfernten Klinik untergebracht, sondern zudem auch ohne Rücksprache mit der Ehefrau Entscheidungen getroffen. Erst nach meinem Einschalten gelang es, das Betreuungsgericht zu überzeugen, dass die Ehefrau als Betreuerin eingesetzt wurde. Auch in diesem Fall hatte sie vorab keine Vorsorgevollmacht unterschrieben.

Vorsorgen erspart Aufwand und Leid
Diese Beispielgeschichten zeigen: Es kann jede und jeden von uns treffen. Und das jeden Tag. Wie viel Aufwand und Leid könnten wir uns ersparen, wenn wir uns nicht nur um unsere Nächsten sorgen, sondern für sie auch vorsorgen! Eine Vorsorgevollmacht auszufüllen ist dabei kein Kunststück. Das Schwierigste an der Angelegenheit ist, tatsächlich den Stift in die Hand zu nehmen und die Dokumente auszufüllen.

Formular-Vorlagen gibt es bei Beratungsstellen und Behörden, wie etwa der Betreuungsbehörde, aber auch im Internet, zum Beispiel vom Bundesministerium für Justiz (www.bmj.de/Vorsorgevollmacht). Im Prinzip kann jeder selbst die Vollmacht aufsetzen oder Vordrucke ausfüllen. Für manche Geschäfte und insbesondere Banken ist es sinnvoll oder sogar notwendig, diese Vollmacht dann auch beglaubigen zu lassen. Das macht jede zuständige Betreuungsbehörde in jeder Gemeinde, und es kostet nur zehn Euro!

Auch unsere Freikirche hat zum Thema Vorsorge Informationen und Formulare bereitgestellt. Diese findet man unter www.adventisten.de/Vorsorge oder beim Advent-Verlag Lüneburg (Tel.: +49 (0)800 2383680). Zwei Beauftragte der Freikirche und Andreas Huber bieten außerdem hierzu Informationsveranstaltungen in Gemeinden und Beratungsgespräche an.

Wozu das Ganze?
Sinn der Vorsorgevollmacht ist es, eine Betreuung zu vermeiden. Dies steht ausdrücklich auf jeder ersten Seite dieser Vollmachten und findet seinen Ursprung in Paragraph 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Vorsorgevollmacht regelt insbesondere die Bereiche Gesundheit, Aufenthalt und Vermögen und gilt auch über den Tod hinaus. Dort gibt es viele einzelne „Kästchen“, ob die Vollmacht viel oder wenig umfassen soll. Allen, die mich fragen, sage ich: Am besten immer ein „Ja“ ankreuzen. Wenn ich dem Bevollmächtigten vertraue, dann allumfassend! Damit nicht wegen des Fehlens einer Aufgabe doch das Betreuungsgericht tätig werden muss...

Erkrankungen oder Unfälle können so ernst sein, dass es manchmal auch nicht möglich ist, selbst über die Behandlung zu entscheiden. Um dann zumindest noch ein wenig selbst bestimmen zu können, hilft eine Patientenverfügung. Darin ist festgelegt, welche Behandlung ich in einer bestimmten Situation wünsche und welche nicht. Während also in der Vorsorgevollmacht geregelt ist, wer für mich handelt (auch wenn ich nicht todkrank bin), kann ich in der Patientenverfügung angeben, was die Ärzte in der Sterbephase machen sollen.

Als Freikirche stehen wir in der Verantwortung, uns um ältere, kranke und manchmal alleinstehende Geschwister zu kümmern. Die biblische Grundlage liefert uns dazu Apostelgeschichte 6,1-3, wo es darum geht, für die Ärmsten und Schwächsten in unseren Reihen zu sorgen. Wie oft habe ich schon erlebt, dass ein Berufsbetreuer (ähnlich wie in der anfangs erwähnten Geschichte) Geschwister irgendwo unterbrachte und die Gemeinde nicht wirklich etwas davon mitbekam. Das führte zu Spannungen zwischen Gemeinde und Betreuer, sodass in manchen Fällen der Betreuer sogar den Umgang von Geschwistern mit dem Betreuten untersagte. Diese Geschwister verlieren dann den Kontakt zur Gemeinde und verständlicherweise leidet auch ihr Glaubensleben darunter.

Auch wenn es uns schwerfällt, daran zu denken, eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung könnten einmal notwendig sein, genügt ein Blick auf unsere Umgebung. Sicherlich kennt jeder von uns jemanden, bei dem Angehörige in lebensbedrohlichen Situationen Entscheidungen treffen mussten. Corona hat das Bewusstsein für dieses wichtige Thema hoffentlich noch verstärkt. Warum also zögern, wenn man – vorsorglich – den Stift in die Hand nehmen kann, um Menschen, die uns nahe stehen, im Ernstfall bestmöglich zu begleiten.

Weitere Informationen zum Thema „Vorsorge treffen“ gibt es bei Andreas Huber: Rechtsanwalt Dr. Andreas Huber, Stephanienstr. 2 B, 76133 Karlsruhe, Tel.: +49 (0)721 75405990, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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